Mein 9. Jahr

Lässt sich am Besten so zusammenfassen! Es startete mit zwei Highlights und danach wurden wir bald alle weggesperrt....


Nochmal das Leben feiern vor dem Lockdown

Oma, Mama und ich sind einfach ein Dreamteam! Wir haben uns extra in Schale geschmissen, um noch ein letztes mal gemeinsam das Tanzbein zu schwingen, bevor unserem Miteinander Corona für lange Zeit den Garaus macht.

 

Oma hat mir die Karten für das Faschingskonzert von Rodscha und Tom im K1 in Traunreut geschenkt und ich bin genauso aufgeregt und voller Vorfreude wie beim ersten Mal.

 

Und wieder hab ich es im Gefühl, dass das MEIN Tag wird....Ich bin einfach ein Glückspilz und eine Rampensau!


Landei in der Großstadt

Mir quillt gerade der Übermut aus jeder Pore und ich kann es nicht fassen: Mein Trampolin ist tatsächlich unser Hotelbett mitten in Hamburg City! Wir haben es tatsächlich noch vor dem Lockdown geschafft und sind unserem Traum vom König der Löwen sowas von nahe! Und das, obwohl Mama vor unserer Abreise buchstäblich noch Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden. Warum sie den guten Ratschlag ihrer Uroma, der dumme Esel trägt sich auf einmal zu Tode,  selbst nicht beachtet hatte, obwohl sie sonst immer so altklug ist, weiß nur sie allein. Sie sagt, es läge an Papas und meinem Saustall, dass sie mit einem Berg dreckiger Wäsche die Kellertreppe hinuntersegelte. Papa hatte wenig Mitleid mit ihr, als er sie hingestreckt und  jammernd auf einem Mount Everest aus Unterhosen vorfand: "Wenigstens bist du dank uns weich gelandet!"

Seitdem läuft sie wie Quasimodo und braucht vom Bett bis ins Bad schon 2 Stunden. "Ausgerechnet jetzt ein Städtetrip!" jammert Mama, während sie mit ihrem Hüftschaden schon beim Schuhe anziehen Schweißperlen auf der Stirn hat. "Ausgerechnet jetzt ein Hüftschaden!" unkt Papa zurück. Und es kommt noch schlimmer: Erst wenn man in den Schuhen anderer steckt, merkt man, wie wenig inklusiv unsere Welt doch im Detail ist! In Hamburg scheinen derzeit sämtliche U-Bahnschächte umgebaut zu werden - Rolltreppen, die nicht fahren, verzweigte Wege, die in Sackgassen münden und die rollstuhlgerechten Aufzüge immer am weit entferntesten Ende des Weges.

"Wieso lässt man ausgerechnet Gehbehinderte bis ans Ende der Welt laufen, bevor sie den Aufzug nutzen können?" keucht Mama aufgebracht und klammert sich ans Treppengeländer des U-Bahnschachtes. Statt einen Drink in Hafen City zu zischen, kriechen wir seit gefühlten Stunden auf unserer Odyssee durch die Hamburger Unterwelt und haben dank unserem Klotz am Bein das Tageslicht noch nicht erblickt. Mein Mitleid mit Mama tendiert gegen Null - da sehe ich SIE: "BREEEEZE" lasse ich meinen Schlachtruf ertönen und weg bin ich - durch die Menschenmasse am Horizont verschwunden! Ich bahne mir meinen Weg zum Untertage-Brezendealer und reihe mich schon mal in die Schlange mit all den grauen U-Bahnmäusen mit hängenden Mundwinkeln, die auf ihren Coffee-to go warten. Plötzlich kann Mama doch ganz schön schnell hinken und ich grinse in mich hinein, während sie mühsam beherrscht versucht, mich aus der Warteschlange zu schleusen: "Flo, lass uns in ein nettes Bistro im Hafen gehen, da kannst du in aller Ruhe deine Butterbreze essen und Papa und ich können derweil mit schöner Aussicht einen Kaffee genießen. Ist nicht mehr weit!" Sie glaubt doch nicht allen Ernstes, dass ich auf die leeren Versprechen dieser lahmen Schnecke reinfalle? Papa sagt immer "Wos ma hod, hod ma!" und ich übersetze genau dies für Mama in Florianisch: "NEIN, Mama. Wat ma had, had ma!" Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Mama keinen Aufstand provozieren wird, denn sie weiß, dass sie den Kürzeren im Sumokampf gegen mich zieht und ihr pädagogisches Ansehen in der Öffentlichkeit vor den Augen aller zu Staub zerfällt! "Na gut, dann trinken wir unseren Kaffee halt in einem stinkenden U-Bahnschacht!" höre ich sie wutentbrannt zischen und Papa nickt gottergeben. Geht doch - ich hab sie einfach gut erzogen. 1 1/2 Stunden später habe ich fertig dinniert und wir können uns auf den Weg nach ganz oben machen....

"Dieses Kind sorgt immer dafür, dass ich zu nichts komme!" sagt Mama selbstmitleidig und ihre Laune wirkt nicht gerade gehoben, seit wir den U-Bahnschacht verlassen haben. Was kann ich dafür, dass ausgerechnet an dem von ihnen gewählten Ausgang ein Kinderparadies liegt?!

Der Spielplatz meiner Träume - Hamburg ist sehr kinderlieb und sorgt mit den tollsten Outdoorspielplätzen für unser Vergnügen. Einzig die frostigen Außentemperaturen stören etwas, aber ich bin ja permanent in Bewegung beim Klettern, Rutschen, Schaukeln.....Hiiiilfe, ich habe mich selbst im Übereifer in eine sehr prekäre Situation manövriert und stecke fest! "Maaaaaama!"

 

"Los, das ist unsere Chance - lassen wir ihn hängen und gehen unseren Kaffee trinken!" sagt Mama böse zu Papa und der grinst verschlagen.

"Paaaapi!" jaule ich entsetzt auf. Dass Mama kein Mitleid kennt, weiß ich aus Erfahrung, aber Papa hab ich noch immer weich gekocht....Er setzt den traurigen Basset-Blick auf und schaut meine Mama mit schräg gelegtem Kopf an. "Darf ich ihm raushelfen?" fragt er so unschuldig, als hätte er damit nicht gerade das pädagogische Konzept meiner Mama über den Haufen gewalzt, die sich kopfschüttelnd in Richtung Coffee-To-Go-Büdchen davon macht.

Der Date-Crasher

Erst übers Wasser im Boot wie einst die Klabautermänner und dann Vorfreude tanken im hellerleuchteten Foyer des Musicals! Die Menschen drängen sich an den Garderoben, stehen Sekt schlürfend beisammen oder kaufen König der Löwen - Souvenirs. Mama kauft mir eins dieser knallgelben T-Shirts mit großem Löwenkopf und ich fühle mich stark wie Simba. Nichts kann mich bremsen, auch nicht Mama, die meinen spontanen Striptease vor allen Leuten noch verhindern will. Mein schönes Brezengrab sollte Musicalbesuchern doch nicht vorbenthalten werden, oder? Schleunigst umhüllt mich Mama mit dem Löwenstoff und rafft mein weit von mir geschleudertes Shirt vom Boden auf. Ich nutze die Gunst der Sekunde, um zu entwischen und steuere auf die samtene Treppe in den 1.Stock  zu. Und da sitzt sie auf dem Treppenabsatz: Weiblich, blond, jung und hoffentlich ledig! Ich wanze mich mit einem charmanten Lächeln neben sie und beginne den Balztanz: "Hallo, guck mal mein tolles T-Shirt!", dann lupfe ich selbiges und ergänze: "Und mein toller Bauch!" Ich weiß, was Frauen lieben und sie schmilzt dahin wie eine Kugel Erdbeereis in der Sonne. Doch unser Flirt wird jäh unterbrochen, durch einen fränkischen Widersacher, der mit 2 Champagnerflöten um die Ecke kommt und ihr eins der Gläser reicht! Mist, doch nicht ledig - aber so, wie sich der Typ ins Zeug legt und seine Schokoladenseite präsentiert, kann es höchstens das erste Date sein! Kennt man ja: Anfangs geduscht, geföhnt und parfümiert - nach 1 Monat Wassersparer und Deoverweigerer aus Leidenschaft mit fettigem Haupthaar! Ich konnte warten....Leider ruinieren mir meine Eltern dann alles, indem sie wie 2 Dorftrampel auf unser zartkeimendes Pflänzchen der Liebe treten und mich eilig aus dem Ränkespiel nehmen. Der Franke atmet erleichtert auf - gegen meinen Charme hätte er ohne meine Eltern nicht die geringste Chance gehabt. Miese Verräter!

Es war einfach nur der Wahnsinn, Leute! Als es losging und die riesigen Tiere singend durch den Saal gezogen sind, habe ich mich ganz tief in meinem Sitz verkrochen und die Hände vors Gesicht geschlagen. "Na, das kann ja heiter werden. Die Kohle fürs Musical hätten wir auch verbrennen können!" raunzt Mama gereizt Papa zu. DAS kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich schiele ein ganz klein bisschen zwischen meinen Fingern hindurch und was ich sehe, gefällt mir! Und dann singt Rafiki und DAS liebe ich! NICHTS hält mich mehr im Sitz. Ich reiße meine Schuhe von den Füßen und richte mich wie der Späher der Erdmännchenfamilie auf meinen samtenen Sitz auf - Timon lässt grüßen! Und dann stimme ich lauthals in Florianisch-Afrikanisch-Kauderwelschig in Rafikis Gesang ein. Jetzt sind es Mama und Papa, die ganz tief in ihren Sitzen versinken und die Hände vor die Augen schlagen...

Als der Schlussakkord vom "Ewigen Kreis" verklingt, blicken wir alle auf einen unvergesslichen, denkwürdigen Abend zurück. Von der afrikanischen Seele und ihrer grenzenlosen Energie erfüllt, reiße ich die Arme hoch und rufe im Schlussapplaus Papa und Mama zu: "Und morgen nochmal!"

Mal wieder ein Schlüsselerlebnis

Der Weg zurück in unser Hotel ist weit - übers Wasser im Boot, dann den Hafensteg entlang bis in den U-Bahnschacht, dann 2 x Umsteigen und dann noch mit dem Bus weiter und dann nochmal Fußweg von ca. 20 min. Das ist nicht nur für unser Hinkebein eine Herausforderung, sondern auch für mich. Ich bin total platt nach all den Eindrücken und quetsche mich in der überfüllten U-Bahn auf Papas Schoß, wo ich eng an ihn gekuschelt einschlafe - oder besser gesagt, ich tue so! Denn heimlich still und leise fummle ich mit einem Taschenspielertrick den Hotelschlüssel aus Papas Hose und stopfe ihn unbemerkt zwischen die Sitzkissen. Das wird ein Spaß, wenn Mama bis zum Hotel gehumpelt ist und wir dann alle mitten in der Nacht vor verschlossenen Türen stehen!

Als die Zeit zum Aussteigen gekommen ist, lasse ich mich von Papa wachrütteln. "König der Löwen wirkt wie Valium auf unser Kind" sagt Papa und ist vollkommen überzeugt, dass er mich soeben von den Toten erweckt hat. Ich spiele den energielosen Gummimann und lasse mich auf  Papas Schulter wuchten, der mich mit Schweißperlen auf der Stirn durch das Gedränge zur Tür des Zugs schleift. "Ich hasse die Großstadt! Daheim würden wir jetzt durch die kühle Nachtluft gemütlich nachhause laufen" keucht Papa und drückt auf den Türöffner. "Daheim hätten wir aber auch kein Musical gesehen!" antwortet Mama augenrollend. Plötzlich tippt ihr der Afrikaner mit den Dreadlocks, der uns in der U-Bahn schräg gegenüber gesessen war, auf die Schulter und sagt: "Excuse me. Is this your hotel key?" Mama und Papa starren den Mann verdattert an und er sieht sich genötigt, weitere Details preiszugeben. Ich nenne sowas Petzen! Er verrät Mama und Papa mein Schlüsselversteck und alle Blicke richten sich auf mich: "FLOOOOOO! Hast Du den Schlüssel versteckt?!" blöcken mich die 2 wie aus einem Mund an. Klar, dass man sich da dann wieder vollkommen einig ist, wenn es drum geht, sein armes Kind zu dissen! "IIIICH? Ich hab doch geschlafen!" antworte ich beleidigt und setze mein Engelsgesicht auf, denn wie heißt es doch so schön: Wer schläft, sündigt nicht!


Bielplaad

"Ich wollte eigentlich nicht ganz Hagenbeck kaufen, sondern nur 3 Eintrittskarten für den Zoo! Ist das scheißteuer!" keucht Papa und Mama sieht ihn mit tadelndem Nicht-vor-dem-Kind-fluchen-Blick an. "Scheißteuer, scheißteuer!" rufe ich in Richtung Kassenhaus und meine Eltern suchen mal wieder das Loch im Boden. Ich liebe es, sie zu blamieren! Ich sause im Schweinsgalopp los, denn wir haben keine Zeit zu verlieren: Der Spielplatz ist am anderen Ende des Zoos, das hab ich auf der Karte genau gesehen!  Auf Höhe des Elefantengeheges stürzt sich Mama von hinten auf mich und bremst mich mithilfe meiner Kapuze. "Schau mal, die Elefanten kann man füttern!" - Das braucht sie mir nicht erklären, das hab ich aus dem Augenwinkel alles genau beim Vorbeirennen gesehen und jetzt schnell weiter zum Spielplatz! Ich renne bis zu der begehbaren Glaskuppel mit den Orang Utans, vorn rein, hinten raus. An den Tigern vorbei, durch den Chinesischen Garten. Lasse das Exotenhaus links liegen und auch den Streichelzoo. "Ich würde gern diese wirklich schöne Anlage genießen!" keucht Mama und kann erstaunlich schnell hinter mir herhinken. "Keine Zeit, muss auf Bielplad!" entgegne ich. Und da ist er endlich - der Traum eines Kletterparcours! DAS ist die Anlage, die ICH genießen will! Ohne mich noch einmal nach meinen Eltern umzudrehen, verschwinde ich in den Weiten der Klettertürme und im Rutschenparadies.

4 Stunden und 8 Tassen Kaffee für meine Eltern später, bin ich immer noch im Kletterparadies und Papa und Mama sitzen wie 2 Häufchen Elend frierend auf der Biergarten-Garnitur im Schneeregen, um mich im Blick zu haben. Da ertönt plötzlich die Lautsprecherdurchsage: Liebes Zoo-Publikum, heute ist der letzte Tag der Wintersaison und der Zoo schließt daher schon um 17.00 Uhr seine Pforten! Mama und Papa sehen sich entsetzt an: Das ist ja schon in einer knappen Stunde und sie wollten doch unbedingt noch das große Arktishaus mit der tollen Unterwasserwelt sehen! Ich ahne, dass es mir jetzt an den Kragen geht und verschanze mich schnell in einem Kletterturm. Doch Mama und Papa sind penetrant und machen eine Riesenszene auf dem Spielplatz - vor meinen neu gewonnenen Kletterkumpeln. Erwachsene können einfach furchtbar dickschädelig und peinlich sein. Mama schubst mich unsanft vor sich her in Richtung Spielplatzausgang, doch ich kann mich gerade noch am Tor festklammern und rufe laut: "NEEEEIN, ich hab so Hunger und erfriere gleich. Ich will essen und trinken und reingehen!" Der Gesichtsausdruck von Mama spricht Bände - gäbe es nicht zahlreiche Zeugen, würde sie mich hier und jetzt erwürgen und im Sandkasten verscharren. Doch dann sehe ich auch die Erkenntnis in ihren Augen aufblitzen, dass es ihre elterliche Pflicht ist, ihr armes Kind nicht hungern zu lassen und sich ein halb erforenes Kind auch nur nachteilig auswirken konnte, indem es in der nächsten Woche hustend und schniefend daheim statt in der Schule weilt. Und so finden wir uns wenig später im überheizten Restaurant wieder, in dem Mama und Papa die letzten 4 Stunden sehr gern gesessen hätten - wäre da nicht die Spielplatz-Tafel gewesen: Die Aufsichtspflicht liegt bei den Erziehungsberechtigten. Eltern haften für ihre Kinder!

Nach einem großen Teller Spaghetti Bolognese bin ich gestärkt und bereit fürs Arktishaus und die anderen Tiere. Papa schaut auf die Uhr: Na prima, wir haben noch eine Viertelstunde, bis sie schließen. Das reicht gerade, um im Laufschritt zurück zum Ausgang zu kommen!

Und so geht mein erfüllter Tag in der Großstadt zu Ende. An den urbanen Lifestyle könnte ich mich echt gewöhnen!


Zeitenwende

Kaum von unserem Städtetrip zurück, kam eine böse Krankheit namens KLORONA über mein Leben und bald war nichts mehr so wie vorher. Bei unserem letzten Ausflug in Freiheit auf unseren Hausberg, den Hochfelln, schwante uns das Schlimmste: Wir trafen ungewöhnlich viele Österreicher, die erzählten, dass sie nochmal raus wollten, bevor wir alle weggesperrt werden. Und so kam es dann auch. Ich durfte nicht mehr in die Tagesstätte gehen und meine Freunde treffen. Meine geliebten Therapien gab es auch nicht mehr, das Hallenbad wurde geschlossen. Statt auf Fotoreisen zu gehen, saß nun auch Papa daheim und wir versuchten alle 3, das Beste aus unserer Familienzeit zu machen. Und wir starteten euphorisch in unsere Zukunft als Selbstversorgerfamilie Sonnenschein im Staying at home-Modus...


Unsere kleine Farm

Manche hamsterten Klopapier und andere gruben ein Hochbeet im Garten.Da meine Eltern schon an vielen Plätzen der Welt ihr Geschäft verrichtet haben und dazu nicht immer Klopapier zur Hand hatten, kam Mama jenes im Krisenfall verzichtbar vor. Warum ausgerechnet sie, die zum Geburtstag gehäkelte Kakteen geschenkt bekommt, meint, es wäre eine gute Idee, Gemüse anzubauen, war Papa und mir ein Rätsel. "Jedem das seine!", sagte Papa gönnerhaft - solange er nicht das Gewächshaus und das Hochbeet zusammen bauen und das Gemüse essen musste, wollte er ihr bei ihrem Selbsternährerprojekt nicht im Wege stehen. Zum Glück gibt´s Opa Alla - den Opa meiner Freundin Alva, der ein Handwerkergott ist und Mamas Neutralisator von Papas zwei linken Händen. Opa Alla eilte mit seinem Werkzeugkoffer herbei und Mama und er steckten die Nasen ganz tief in die aus dem Chinesischen übersetzte Aufbauanleitung des Gewächshauses. "Des is a Graffel. Schicks zurück!" meinte der Fachmann. Aber da kennt er meine Mama schlecht - sie ist wie der Frosch, der sich im Rachen des Storches einspreizt und niemals locker lässt! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann bauen sie noch heute....


Kochende Leidenschaft

Ich habe schon immer gerne gebacken, gerührt, geknetet und gekocht - aber im Staying at home-Koller wurde meine Leidenschaft fast zur Manie. Wenn ich die Eingebung hatte, einen Kuchen backen zu müssen, waren die Eier ruckzuck auf den Tisch aufgeschlagen, bevor Mama Schüssel und Rezept hervorzaubern konnte.

 

Ich liebe kreatives Chaos, Mama nicht so. Immer hatte sie was zu meckern, wenn sie das glibbrige Eiweiß vom Fußboden kratzen musste. Aber man konnte sie mit dem fertigen Ergebnis bestechen und dann herrschte wieder Frieden und Harmonie.


Post von Fräulein Rottenmeier

Eines Tages kam ein Päckchen aus der Schule. Ich hatte zwar auf eine Spielzeugüberraschung gehofft, hatte es aber schon befürchtet: Lernkram! Wie Karl Valentin schon sagte: Ich freu mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freu, regnet es auch!

Zum Vergleich Bild rechts: So sieht Freude aus, wenn Oma ein Playmobil-Paket schickt....

 


Nichtsdestotrotz machte ich mich euphorisch ans Werk, denn wie meine Mama bereits 1 Tag nach meiner Geburt von dem Entwicklungsneurologen lernen durfte, hat es sogar mal einen Jungen mit Downsyndrom gegeben, der studiert hat. Nichts ist unmöglich!



Bastel-Wastel und Dekoqueen

Die Schule und Tagesstätte hatten dank Corona ihre Pforten geschlossen. Mama und ich hatten somit ganz unverhofft viel Zeit, mir die Langeweile mit Basteln und Dekorieren zu vertreiben. Ostern stand schon wieder vor der Tür und ich beschloss, dem vielbeschäftigten Osterhasen unter die Arme zu greifen, indem ich für ihn Nester kleisterte und bemalte, in die er dann seine Eier reinbrüten konnte.

Dann sprengte ich Mama in den Garten, um Zweige aus unserer Hecke für einen Osterstrauß abzuschneiden. Die Hecke ist leider verbotenes Territorium für mich, seit ich Papa beim letzten Schnitt das Kabel der Heckenschere im laufenden Betrieb mit einer Astschere durchtrennt habe. Dabei wollte ich ihm nur helfen, das Drama zu beenden - denn er hatte so viel darüber geschimpft und schlechte Laune verbreitet, weil er die Hecke schneiden sollte, dass dringend ein Masterplan her musste. Doch statt der erwarteten Dankbarkeit war Papa jetzt erst recht stinksauer und Mama hielt mir einen wütenden Vortrag über das Glück, das ich angeblich gehabt hätte, nur der Heckenschere und nicht mir selbst ein jähes Ende bereitet zu haben.

Mein Wunsch nach einem Osterstrauß hatte bei Mama offensichtlich auch schöne Erinnerungen an die Heckenscheren-Aktion geweckt, da sie mit einem tiefen Seufzer Papa die Forsythienzweige in die Hand drückte: "Bastel-Wastel macht jetzt kreative Pause und Dekoqueen übernimmt!"

 

Und so kam es, dass der traditionelle Osterstrauß in diesem Jahr erstmals von 2 dekorierenden Männern geschmückt wurde.

 



Freu(n)dlose Zeit

Dieses Klorona versaute mir den ganzen Tag! Ich durfte meine Oma und meinen Opa nicht sehen, meine Freunde in der Schule nicht treffen und auch meine beste Freundin Alva nicht. Mein einziger Kumpel war Mama, die mit mir im Sandkasten einen Zoo bauen durfte. Aber Erwachsene sind einfach zu doof zum Spielen, denn sie verrenkte sich das Genick dabei und wurde zum jammernden Totalausfall. Wenn sie sich schon nicht mehr in den Sandkasten buckeln konnte, so musste sie doch wenigstens dabei sitzen, denn ich wollte keinesfalls alleine sein. Da konnte sie mich noch so oft beschwören, dass "jedes Kind auch mal alleine spielen kann". Ich war nicht jedes Kind!

Mama tat sich schwer, ihre neue Rolle als meine Alleinunterhalterin zu akzeptieren und Papa war als unverhoffter Staying at home-Dad, der doch eigentlich durchs ferne Afrika mit einer Fotogruppe tigern wollte, auch völlig unbrauchbar. Meine Eltern versuchten, mangelnde Kompetenzen durch Galgenhumor zu kompensieren und bislang funktionierte ihre Gute-Laune-Therapie gegen häuslichen Irrsinn dank bewährter Hausmittel prächtig. Denn wie sang einst schon der weise Herbert Grönemeyer? Alkohol ist dein Sanitäter in der Not, Alkohol ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot.


Das dunkle Kapitel

Und es sollte eine Zeit kommen, die an Finsternis und Bitterkeit nicht zu übertreffen war! Ein neues Zeitalter brach ohne Vorwarnung über mich herein und beendete meine sorglose Jugend über Nacht. Und dieses Grauen hatte einen Namen: Homeschooling mit Mama!

Meine Klassenlehrerin verkündete die Hiobsbotschaft per Videoschalte und wollte dann auch noch etwas Matheunterricht machen, wenn wir alle schon mal so digital auf dem Bildschirm beisammen waren. Ich musste das erstmal setzen lassen, dass meine Mutter künftig meine tolle Klassenlehrerin ersetzen sollte. Man tauscht ja auch keinen Ferrari gegen einen alten Opel Kadett ein - außer man befindet sich in außerordentlicher Not! Oh verdammt - Panik stieg in mir hoch: Meine Mutter als meine Lehrerin konnte nur allerhöchste Notlagenstufe bedeuten! Ich schielte vorsichtig zu Mama hinüber, die auch etwas bleich um die Nase war. Ich brauchte jetzt etwas Zeit für mich, um die schlechten Nachrichten zu verdauen. Mama würde keine Gegenwehr zeigen und es tunlichst vermeiden, mir vor der ganzen Klasse eine Szene zu machen. Jetzt oder nie, Flo! Und dann hörte ich mich selbst sagen: "Tschüß, ihr Stachelschweine. Ich geh jetzt spielen!" Ich winkte meinen Klassenkameraden noch einmal nonchalant zu und zog den Stecker.


In den Schuhen von Mama

"Heute ist ein guter Tag, ein Tag an dem ich die Nerven behalten und ganz ruhig bleiben werde - auch wenn er versuchen sollte, mich mit den Matheaufgaben in den Wahnsinn zu treiben!" sagt Mama beim Frühstück zu Papa und er nickt mitleidig und sieht nicht gerade zuversichtlich dabei aus. "Du schappst dat, Mama!" feuere ich sie an. Mama atmet tief durch und nimmt einen großen Schluck Kaffee aus ihrem Riesenpott. "Ich schaff das!" sagt sie mehr zu sich selbst als zu uns.

 

10 Minuten später werden wir Zeugen ihres grandiosen Scheiterns, Türen fliegen krachend zu und Mama schließt sich erstmal schimpfend auf dem Klo ein. Wenigstens konnten Papa und ich endlich das Geheimnis des Klopapier-Hamsterns in Coronazeiten lüften: Das kaufen all die Mütter, die sich beim Homeschooling am Rande des Wahnsinns befinden, um es dann genau wie alle Väter zu machen, wenn es einen unangenehmen Job zu erledigen gibt: Erstmal geordneter Rückzug mit einer Rolle Klopapier unter dem Arm zur Meditationssitzung aufs stille Örtchen!

 

Eine Stunde später sind Papa und ich immer noch nicht mit dem Matheblatt fertig und auch er wünscht sich jetzt eine Rolle Klopapier und sämtliche legale Drogen, die ihn das Grauen vergessen lassen. Das erste Mal seit Monaten des Homeschoolings und schon aufgearbeitet. Ich habe ganze Arbeit geleistet und bin überzeugt, dass ich die öde Lernerei mit meiner Zermürbungstaktik bald los bin.


Coronaplautze

Wenn man Frustesser und Brezenbäcker aus Leidenschaft ist UND zeitgleich auch noch sämtliche Bewegungstherapien sowie Wanderwege aus Lockdowngründen gestrichen werden, ist das eine fatale Kombination. Meine Eltern arbeiteten daher ein Bewegungsprogramm für mich aus, das mit den Lockdownvorschriften im nahen Umkreis und im Staying at Home-Modus durchführbar war.


Jenseits von Zeit und Raum

Wenn alle Spiele gespielt, alle Bilder gemalt und Lieder gesungen sind und dann immer noch so viel Lockdown am Ende des Tages übrig ist, verliert man das Zeitgefühl. Irgendwann singt man beim Basteln von Osterfensterbildern Nikolauslieder und findet das normal! Da ich dank des eisernen Sportprogramms meine schlanke Linie wieder hatte, konnte ich mich der Produktion meiner geliebten Spitzbuben widmen. Böse Zungen behaupten, dies wäre saisonales Backgut und würde nur an Weihnachten verzehrt. Nein, ein Spitzbube besitzt immer zeitlosen Charme!



Frühlingsgefühle

Als der Frühling dann mit aller Macht über unseren schönen Chiemgau hereinbrach und wir noch immer im Lockdown gefangen waren, wurde ich langsam schwermütig. Ich wollte endlich wieder auf Reisen gehen, diese grenzenlose Freiheit spüren: das Zelt aufzustellen, den Grill zu schüren und den Gruselgeschichten von Mama am knackenden Lagerfeuer zu lauschen. Doch wie es aussah: Pustekuchen!

Und so gründeten Mama und Papa das erste Staying-at-Home-Camp Bayerns, in unserem Garten...

 



Back to the roots


Papa Bär

Für meinen lieben Papa Bär legte ich mich zum Vatertag mächtig ins Zeug. Ich malte mit ganz viel Geduld und Liebe ein Malen-nach-Zahlen-Bild aus, das Papa und mir am nächsten kommt: Mogli und Papa Bär Balu, ein tolles Team wie wir zwei!

Dann kauft ich von meinem gesparten Geld einen Rosenstrauß und setzte mein Kunstwerk in Szene.

 

Selbstverständlich stülpte ich mir meine Kochmütze und Schürze über und legte mit der hohen Schule der Backkunst los,

um Papa die Überraschung seines Lebens zu verpassen. Die Küche glich einem Schlachtfeld, aber ich gab nicht auf und zwang Mama, die Deko perfekt zu machen.

 

Mama grummelte beim Verrichten ihrer Handlangerarbeiten ständig eifersüchtig vor sich hin, denn für ihren Muttertag hatte sie die Bastelanleitung für ihr Geschenk von unserer Handarbeitslehrerin zugeschickt bekommen. Was bitte konnte ich dafür, dass sie sich ihr eigenes Geschenk nicht selbst basteln wollte?

 

Papa und ich hatten Mama einen mehr als denkwürdigen Muttertag bereitet: Statt einer blöden Herz-Bastelei hatten wir ihr wertvolle Zeit mit uns geschenkt, die sie nicht zu schätzen wusste - aber das ist eine andere Geschichte....



Lagerkoller deluxe

"Wir haben uns gegen einen Wellnessgutschein zum Muttertag entschieden und schenken Dir stattdessen etwas viel Wertvolleres: Zeit mit uns!" sagt Papa stolz zu Mama und irgendwie habe ich sie schon glücklicher gesehen. Was bitte kann es Erfüllenderes geben, als Zeit mit denen zu verbringen, deren lückenlose Präsenz man in den letzten Wochen des Lockdowns zu schätzen gelernt hat?

"Wir machen Camping im Garten und Du darfst mir Gruselgeschichten erzählen!" ergänze ich stolz unseren Männer-Geheimplan. "Das wird ja immer besser!" murmelt Mama hocherfreut. Ich übernehme die Partyplanung und scheuche Mama in den Garten zum Zelt aufbauen. Wir entstauben das aufblasbare Gästebett aus dem Keller, das dank Corona schon lange keinen Gast mehr gesehen hat. An ihrem Tag sollte Mama doch auf Luxus statt auf dünner Isomatte gebettet werden, oder? Dann schüren wir Männer wie jeden Abend das Lagerfeuer und packen wie jeden Abend ein ganzes Schwein auf den Grill. "Wir haben jetzt kein aufwendiges Menü geplant, weil wir dachten, dass Grillen am Besten zum Camping passt!" erklärt Papa unseren ausgeklügelten Plan und Mama nickt schwach. 2 Bier später ist auch sie im Campingmodus angekommen. Ich hänge fasziniert an ihren Lippen, als sie die gruseligsten Gruselgeschichten im Schein der Glut erzählt und als es dann Zeit zum Bett gehen wird, beschleichen mich plötzlich üble Zweifel. "Was war das für ein komisches Geräusch?" frage ich besorgt. "Der Igel, der schnaufend auf Schneckenjagd geht!" sagt Mama und hat sichtlich Freude an meiner Angst. "Ich glaub, ich schapp dat ned!" sage ich. "Oh doch, du schaffst das - ist schließlich mein Muttertagsgeschenk!" erwidert Mama schadenfroh.

"Welcher Depp hat das Zelt aufgestellt?" unterbricht uns Papa. "Seht ihr denn nicht, dass das Gelände abschüssig ist? Na dann, gute Nacht!" Mama und ich schauen uns verschwörerisch an und rollen mit den Augen. Dass der Mann immer so übertreiben muss!

 

Als wir uns alle drei auf dem Gästebett einrangiert haben, müssen wir eingestehen, dass er doch nicht ganz unrecht hatte. Papa rollt vom Gästebett gegen die Zeltwand, ich (mittig) rolle auf ihn drauf und Mama krallt sich am oberen Ende des Gästebetts fest, um nicht auf uns beide drauf zu rollen. Aber wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her: In diesem Fall ist es ein Leck in unserem Gästebett, das der Rollpartie ein jähes Ende setzt. Die ausweichende Luft sorgt innerhalb der nächsten Stunde dafür, dass Papas und Mamas Hintern auf dem Boden schleifen, während in der Mitte ein Hügel entsteht, der mich fast schweben lässt. "Nicht bewegen!" raunzt Papa. Zufrieden schnarchend schlummere ich ein. Weitere 2 Stunden später ist es um Papas guten Willen geschehen. Der Reißverschluss des Zeltes ratscht auf: "Ich geh jetzt rein aufs Sofa! Viel Spaß noch!" Im Tiefschlaf rücke ich in die neugewonnene Lücke nach - nichts geht über den wonnevollen, gesunden Schlaf in freier Natur! Als der Morgen dämmert, weckt mich der Gesang der Nachtigallen sanft aus meinen schönen Träumen. Ich falle jodelnd in ihre Melodie ein - ein Tick aus frühester Kindheit, mich in den Wachmodus zu jammern. "Guten Morgen!" sagt Mama gequält, sie sieht aus, als hätte sie eine harte Nacht gehabt. "Klappe! Lass mich in Ruhe!" schnauze ich zurück. Ich bin bekennender Morgenmuffel und keiner wagt es, mich anzusprechen, bevor mein Klagegesang verklungen ist. "Gratuliere zum Muttertag!" keift Mama böse. Ich hab sie noch nie so wütend gesehen. Sie reißt die Zeltplane auf und "knallt" sie mir vor die Nase. Dann rauscht sie wortlos ins Haus und knallt mit der Terrassentür. Das weckt Papa auf, der tief und fest auf unserem XXL-Sofa geschlummert hatte: "Was ist Dir denn Fieses über die Leber gelaufen!" fragt Papa fassungslos, während Mama sich verhärmt ihren Kaffee aufbrüht. "Der Muttertag!" antwortet sie kurz angebunden, während sie uns beide mit der berühmt-berüchtigten Klopapierrolle unter dem Arm, Türen knallend, einfach in der Küche stehen lässt.

Nach ihrer Meditationssitzung entschuldigt sich Mama bei uns: "Tut mir leid, ich bin auch nur ein Mensch!"

Es ist so verdammt wichtig, in solchen Momenten der Einsicht die richtigen Worte der Versöhnung zu finden: "Nein Mama, du bist kein Mensch. Du bist nur eine Frau!"


Ernteleid in Coronazeit


Was hatte Mama geharkt, entkrautet, gesät und gehofft - doch wenn man sich in diesen unverlässlichen Coronazeiten eines sicher sein konnte, dann war das die Nacktschnecken-Invasion in unserem sehr naturnahen Garten. Mamas Kräutergarten war im Nu abgeweidet und selbst unser Salat-und Radieschen-Fort Knox in Form des gläsernen Hochbeets war nur halb so uneinnehmbar wie Mama gedacht hatte.

Die fiesen Schnecken hatten jedes einzelne Radieschen, das Mama gepflanzt hatte, angenagt!

 

Und auch unser Salat war eher ein Dinner Deluxe für meine schleimigen Freunde - worüber ich so gar nicht böse war. Auch Papa sagt immer: "Auf Gmias und Solod kann i verzichdn!"

Mamas miserable Kleingärtner-Karriere war meine Inspirationsquelle im Sachkundeunterricht, das perfekte Schneckenheim für die Schneckenaufzucht zu kreieren.

 

Als ich nämlich den Wohntraum jeder Nacktschnecke für meine Lehrerin zeichnen sollte, war klar, dass dies nur Mamas Hochbeet sein konnte!



Austherapiert

Dank Klorona gab es keine Therapien mehr für mich - auch meine geliebte Reittherapie fiel aus und so wurde mein geliebtes Hopsipferd mein ständiger Begleiter. Es war wind- und wettererprobt und hatte in den letzten Jahren durch meine  aufopferungsvolle Pflege sein gutes Aussehen bewahrt.

 

"NICHT das Hopsi abbusseln, da holst du dir was Fieseres als Corona!" pflegte Mama zu meckern. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie die Sache endete!

 

No risk, no fun - es ist mir eben eine Herzensangelegenheit, meinem Hopsi Liebe zu schenken (und Mama zur Weißglut zu treiben). Ein befriedigendes Gefühl, 2 Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und das Ammenmärchen vom bösen Keim durch eingehende Testreihen ad absurdum zu führen. Da riskier ich gern mal Magen-Darm oder Herpes - Hauptsache Mamas Blutdruck ist gepusht.


Sehnsucht Afrika

Nix war´s mit Reisen und Abenteuer in diesem Kloronajahr 2020! Ich begann schwer trübsinnig zu werden, während ich meine Träume von der Wildnis Afrikas malte. Ich schwelgte in Erinnerungen an alte Zeiten und telefonierte stundenlang mit Oma. Oh, wie ich sie vermisste. Ich wollte mein altes Leben zurück!


FREIHEIT

Und dann war es endlich soweit, aller Trübsal ein Ende: Die Kloronamaßnahmen wurden gelockert und es gab grünes Licht, Oma und Opa endlich wieder in die Arme zu schließen. Das kam gerade noch rechtzeitig, um mich vor einer tiefen Depression zu bewahren! Und so wurde dieser Sommer doch noch richtig schön....


Statussymbole

Unser Campingbus eröffnete mir neue Welten beim Dating. Die Frauenherzen flogen mir nur so zu und schnell wurden die Nachbarsmädels von Oma und Opa zu meiner Familie - wobei es klar war, wer in dieser Konstellation aus 2 Frauen und einem Mann die Rolle der alleinerziehenden Mutter einnehmen musste: ICH! Ich konnte bei der Erziehung meiner beiden Töchter große pädagogische Erfolge verbuchen, schließlich war ich selbst jahrelang durch die harte Schule meiner Mama gegangen! Während Mamas Erziehungsversuche an mir abgeprallt waren wie Gewehrkugeln an Superman, wirkte schon ein energisches Wort bei den lieben Mädels Wunder. Sie tanzten ganz nach meiner Pfeife und bis zum frühen Abend hatte ich sie so müde kommandiert, dass sie nur noch ins Bett fielen. So geht Pädagogik, vielleicht sollte ich über eine Zukunft als Supernanny nachdenken?!


Urlaub in der Hölle  - formally known as row, row, row your boat.....

Der Lockdown vom Lockdown bescherte mir dann den Urlaub in der Hölle mit Mama und Papa. Was als spaßige Campingtour im Bayerischen Wald begann, endete fast in den Fluten des schwarzen Regen. Nachdem wir durch die Hölle gewandert waren, beschlossen meine Eltern, mir diese in Form einer Kanutour zu bereiten! In klassischer Selbstüberschätzung mieteten die 2 Irren unser Kanu gleich für 5 Stunden, um Bayerisch Kanada zu Wasser zu erkunden. Ich wurde in die Schwimmweste gesteckt, meine Eltern griffen enthusiastisch zu den beiden Paddeln und dann stachen wir in See....wenige Minuten später wäre es mir lieber gewesen, anstelle der Schwimmweste einen Tarnanzug zu tragen, der mich unsichtbar macht! Vom Bootsanleger führt die Kanustrecke nämlich zunächst entlang des Campingplatzes, wo sämtliche Camper sich gerade vor ihren Vans zum Frühstücken niedergelassen hatten und nun genüsslich  die Performance meiner Eltern verfolgten! "NEEED rudern jetzt, ICH steuer des Teil!" blöckte Papa, während wir im Zickzack über den Regen eierten, immer wieder an der Böschung anschrappten und zu kentern drohten. "Na, dann mach doch!" maulte Mama beleidigt, legte das Paddel demonstrativ in den Schoß und zischte noch ein "Klugscheißer!" hinterher, während Papa verzweifelt ackerte, um das Kanu aus dem schlickigen Untergrund zu lösen, in dem wir angelandet waren. "Gar nix machen, geht aber auch ned!" keuchte Papa. "Ja, was nun?" schallte Mama zurück - Szenen einer Ehe, die Dank der guten Schallübertragung auf dem Wasser den ganzen Campingplatz erheiterten. "Lasst mich mal!" versuchte ich zu vermitteln und griff nach dem Paddel. "Jou, des fehlt mir grad no zum Glück!"  meinte der Klugscheißer und entriss mir das Paddel. Selber schuld, dann lehnte ich mich eben zurück und genoss die Show wie alle anderen. Wir hatten den Morast verlassen und unser Kanu bewegte sich nun in konzentrischen Kreisen durch den Fluss. "Mir wird schwindlig!" - das stimmte zwar nicht, aber es machte solchen Spaß, Öl ins Feuer zu gießen! Und dann fügte ich noch ein argloses: "Wohin fahren wir denn eigentlich?" hinzu. Wie es aussah, war es der Plan meiner Eltern, Gewässerproben in Ufernähe zu sammeln, denn durch ihre verzweifelte Paddelei füllte das Wasser des Regen so langsam unser Kanu! Beim Paddeln ist Rhythmus alles, hab ich mal gehört - bei meinen Eltern war alles nichts! "Des werden lange 5 Stunden!" orakelte Papa und stellte sämtliche Tätigkeit ein. Wir trieben mit dem Strom dahin und mich erfasste leichte Panik, denn was es stromabwärts ging, mussten diese Nieten ja später wieder raufpaddeln! Und schon konnten 5 Stunden sehr optimistisch veranschlagt sein! "Was, wenn wir nie mehr zurück kommen?" orakelte ich düster. "Gib dem Kind das Paddel!" sagte Papa resigniert zu Mama, "Schlimmer kann´s auch nimmer werden!" Und so paddelte ich meine immer noch zankenden Eltern zurück nach Hause - zwar auch nicht auf direktem Weg, aber wie heißt es so schön? Viele Wege führen ans Ziel und auch Umwege sind Wege!


Erinnerungen im Marmeladenglas

 

Die Atempause zwischen den Kloronawellen sorgte dafür, dass ich endlich auch meine Freundin Alva wieder treffen und mit ihr zusammen schöne Ausflüge machen konnte.

 

Im Hexenwasser Sölln stellten wir beim Blick in den Spiegel fest, dass die Lockdownzeit bei allen Spuren hinterlassen hatte.

 

Mein Schulprojekt "Erinnerungen im Marmeladenglas" füllte sich langsam aber sicher doch noch mit schönen Erlebnissen und Momenten.

 


Zurück in den Klolonaknast

Und ehe wir es uns alle versahen, ging der Spätsommer zu Ende und brachte neues Grauen mit sich. Hallo, Klolona! Auf ein Neues....

Wieder begann das geistige Siechtum des Homeschoolings, die grausamen Therapien mit Mama statt mit Fachpersonal (Ich hasse Dilettantismus!) und überhaupt diese Staying at Home-Kacke. Ich fühlte mich wie im Klolonaknast und war wieder allein - ohne Freunde, ohne Oma und Opa, ohne meine Töchter!

 

Aber nicht ohne unseren Campingbus....nur war das Campen jetzt dank Herrn Söders "Politik der Vorsicht" rechtliche Grauzone und Mama machte sich ins Hemd bzw. packte wieder die olle Karmelle von vor meiner Zeit aus: "Weißt du noch, Beppo, das ist wie damals, als wir uns in Sardinien bei der Wanderung verlaufen haben und unser Zelt in der Pampa aufschlagen mussten! Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugetan, weil ich den Polizeihubschrauber schon über unserem Zelt kreisen hörte!" Fazit: Für Mama war der Nervenkitzel des Wildcampens nichts!

Doch Papa und ich pfiffen auf die Verbote: Der Männerabend konnte kommen!


Against all odds

Und so haben Papa und ich alle Regeln gebrochen und unseren Bus in der Dämmerung mutig an Wegesrändern, Parkplätzen und Waldrändern geparkt und hemmungslos der Campinglust gefrönt. Und da Mama nicht dabei war, um uns den Männerabend zu verderben, konnten wir mit Ketchup auf die Sitze kleckern und kiloweise meine Lieblingsspeise Lebendkas vertilgen, ohne dass uns jemand hindern konnte. Einfach toll, dieses Nomadensein ohne festen Wohnsitz! Früh machst du die Autotür auf und stehst mitten in einem neuen Abenteuer. Wenn man bereit ist, findet man die nämlich auch direkt vor der Haus- bzw. Bustüre!

Wenn wir erwischt worden wären, hätte ich meinen ärmsten Dackelblick aufgesetzt und dem Herrn Dimpfelmoser erklärt, dass ich so traurig bin und das Draußenschlafen so vermisse. Damit hätte ich sogar das Herz von John McClane erweicht und wir wären ohne Strafe davon gekommen. Da bin ich mir sicher.


Kneippen statt Kneipen

Und da die Kneipen wieder ihre Pforten schlossen, musste eine andere Methode der Frustbewältigung gefunden werden. Ich widmete mich dem Erhalt meiner Gesundheit durch ausgiebiges Wassertreten, Bergtouren und Waldatmen. Auch in unseren heimischen Wäldern gibt es unverhoffte Entdeckungen zu machen: Mama zeigte mir eines Tages die kleinen Wäldchen aus Schachtelhalm und erklärte mir, dass es diese schon zu Dinozeiten gegeben hatte. Nur waren sie im Jura meterhoch und wurden trotzdem vom T. Rex überragt. Jetzt fühlte ich mich wie mein Lieblingsdino, der Carnotaurus, den ich so mag, weil er 2 fiese Teufelshörner auf dem Kopf trägt (genau wie ich, wenn mich der Hafer sticht - sagt Mama).


Der Klolona-Krampus

Klolona hatte nun auch den Nikolaus samt Krampus eingeholt. Er rief bei Mamas Freundin Steffi an und sagte, dass er heuer nicht zu uns kommen könnte, weil es der Herr Söder verboten hat. Steffi raufte sich die Haare, war doch unsere alljährliche Nikolausfeier nicht nur die feste Größe im Kalender, sondern auch das Highlight des Jahres!

Mama und Steffi steckten die Köpfe zusammen, es gab viele Geheimnisse und irgendwie haben sie den Nikolaus und den Krampus dann doch bestochen, dass sie zu Besuch kommen - Open air an der Feuerstelle, da konnte der Herr Söder nicht meckern. Ob der Nikolaus und der Krampus wohl vorher einen Kloronatest machen mussten? Kann ein Krampus denn überhaupt Klorona bekommen? Und der Nikolaus?

Mir war es egal, ich hielt mich von beiden so fern wie möglich, denn ich hatte die Hosen gestrichen voll, dass es dieses Jahr für mich mit dem Krampus ab in den Wald gehen könnte. Ich sag es eigentlich jedes Jahr, wenn ich mein Nikolaussackerl auspacke und meinen Schokonikolaus verspeise: "Dat war arschknapp!"


Häppi Börsdäi, Flo

Spätestens wenn man wieder ein Jahr altert, wirft man den Blick zurück und lässt das letzte Lebensjahr Revue passieren:

 

Es war ein Jahr ohne große Höhen und Tiefen - aber mit hohem Nervpotential, was die liebe Familie angeht. Wir hatten einfach zu viel Zeit miteinander verbracht. Mama sagte, wenn ihr nochmal irgendwer mit dem Spruch kommt, dass man dank Klorona endlich mal Familienzeit und Zeit für Spiele hat, haut sie demjenigen eins auf die Nase!

 

Mein innigster Wunsch fürs nächste Lebensjahr: Bloß kein Homeschooling mehr mit Mama und kein blöder Lockdown!

 

Gottlob hatte ich keine Kristallkugel, denn pünktlich einen Tag vor meinem Geburtstag kam es Dicke. Meine Lehrerin war an Corona erkrankt und unsere Klasse wanderte wieder in Quarantäne. Nichts war es mit dem rauschenden Geburtstagsfest in der Schule - wieder nur meine Eltern als Gratulanten, die ich schon nicht mehr ertragen konnte!


Das Hexenhaus-Gate oder Bescherung vor der Bescherung

Um die Zeit des Wartens aufs Christkind zu verkürzen, schickte meine Oma mir ein Lebkuchenhaus, das ich mit Mama basteln konnte. Ich hatte Mama schon glücklicher gesehen und hörte sie einmal hinter verschlossener Tür zu Papa sagen: "Unser Küchenkobold bäckt eh schon alle 2 Tage Spitzbuben und schlägt mir die Eier auf dem Küchenfußboden auf, das hat mir gerade noch zum Glück gefehlt."

 

Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, bin ich wahnsinnig fokussiert und die große Frage, die sich mir jede Minute des Tages stellt ist: "Wann, Mama?!" Es gab eigentlich keinen ersichtlichen Grund, auf meine Anfrage sauer zu reagieren - das Chaos, das ich im Laufe des langen Tages im Wohnzimmer angerichtet hatte, konnte sie getrost auch nach getanen Bauarbeiten an meinem Hexenhäuschen noch schnell vor dem Bettgehen erledigen! Dem Personal mangelt es leider bisweilen am Durchblick und dem nötigen Weitblick, die ToDo-Liste stringent und zielführend abzuarbeiten. Und das Ziel hieß jetzt: Lebkuchenhaus!

Und wenn nicht freiwillig, dann habe ich meine Methoden, zu überzeugen: "Ich schlag schon mal die Eier auf!" und schwupps glibberte das erste Eidotter auf den Küchenfußboden und zerschellte neben meinem Fuß. Nun ließ ich es gedankenverloren schneien, denn das Ei musste mit Puderzucker verrührt werden. Wie von Zauberhand war Mama an meiner Seite und war sprachlos angesichts der Bescherung. Der Puderzucker war mit dem Ei zu einer zementösen Paste verschmolzen, die sich kaum vom Parkett kratzen ließ. Langsam verlor ich auch so ein bisschen die Lust am Projekt, weil ich eigentlich nicht so gerne so komische Glibberpasten anfassen möchte. Das ist ekelhaft.

Nachdem Mama meine Sauerei beseitigt hatte, trennte sie ein Ei auf und schlug das Eiweiß in einer Schüssel schaumig, dann sollte ich langsam den Puderzucker zugeben, während sie weiterrührte. Langsam ist nicht mein Ding und bedacht auch nicht. "Attacke!", mit einem Schwung hatte ich das Paket Puderzucker ins Ei gekippt und das Rührgerät versagte seinen Dienst, weil die Rührbesen im Schlick feststeckten.

"Bist du des Wahnsinns?" beleidigte mich Mama und ich sagte kühl: ""Hab eh keine Lust mehr auf Hexenhaus!" "Wir bringen dieses Desaster jetzt zu Ende und wenn es das Letzte ist, was wir tun!" schrie Mama, dass die Wände wackelten. Ich verschränkte die Arme, fuhr meine Unterlippe ganz weit aus und sagte: "Dann mach doch du. Ich mach nix!"

Mama klatschte die zähe Zuckermasse in eine Spritztülle und fing wie eine Durchgeknallte an, die vorgestanzten Lebkuchenteile zusammen zu kleben. "DEKORIERE!" schnauzte sie mich an. "Nö!" erwiderte ich. Wütend pappte Mama Hänsel und Gretel sowie die Hexe vor das Haus und gestaltete dann mit "viel Liebe" das Dach mit Gummibärchen. "HILF JETZT MIT!" betonte sie je-des ein-zel-ne Wort und redete sich dabei so in Rage, dass Papa auf der Matte stand, der sie bis in den ersten Stock plärren hörte.

"Was ist denn hier los?" fragte er arglos. "Mama und ich basteln ein Lebkuchenhaus!" leistete ich Aufklärungshilfe. "Alle raus aus dieser Küche!" brüllte Mama mit hochrotem Schädel und knallte die Reste des Zuckerbetons in den Abfalleimer. "Eine Frage hab ich noch", sage ich unschuldig, "schimpfst du gerade den Papa oder mich?" Mama gab einen etwas irre klingenden Lacher von sich und ermutigte mich damit auch meine zweite dringliche Frage zu stellen: "Darf ich Hänsel und Gretel auf dem ipad gucken, bis du fertig bist?"


Breite deine Gabeln aus

Ich muss jetzt mal Aufklärungsarbeit leisten, die bitter nötig ist: Den Weihnachtsmann gibt es nicht! Es ist der heilige St. Nikolaus, der die Gabeln ausbreitet - so wird es ja auch gesungen und so ist das auch. Den Weihnachtsmann hat Coca Cola erfunden und der soll weiterhin mit seinem dicken Hintern die Schornsteine in Amerika verstopfen, wenn er die Geschenke in den Kamin wirft. Allein das ist ja schon so blödsinnig - was, wenn es kalt ist und die Familie ein Feuer im Kamin geschürt hat? Das überlegt sich mal wieder keiner - als Letzter überlegt sich das der Weihnachtsmann, denn der kommt ja bekanntlich vom Nordpol. Da ist er Kälte gewöhnt!

Das Christkindl hingegen  hat einen Glitzerschein um sich herum und man sieht es am Heiligen Abend am Nachthimmel fliegen, wenn man Glück hat. Ich hab es schon gesehen und gehört. Ich weiß 100 Pro, dass es das Christkind gibt, das könnt ihr mir glauben! Eine Woche vor Weihnachten male und schreibe ich meinen Wunschzettel und streng mich mächtig an, damit meine Wünsche auch in Erfüllung gehen. Den Brief lege ich dann abends raus in den Garten bei unserem Holzstoß und am nächsten Morgen hat ihn sich das Christkindl abgeholt! Dieses Jahr steht eins ganz oben auf meiner Liste: Weihnachten feiern mit Oma und Opa. Das ist mein Herzenswunsch und dafür würde ich auf alle Geschenke verzichten. Hoffentlich klappts.....

Auf ein Neues

Mein Weihnachtstraum ist wahr geworden und wir konnten zusammen mit Oma und Opa in Franken feiern! Danke, liebes Christkindl, mach´s gut bis zum nächsten Jahr. Ich will auch brav und lieb sein und auf meine Eltern hören, bla, bla.... Unter uns gesagt: Jetzt hab ich ja wieder ein Jahr Zeit, Schandtaten zu begehen und rechtzeitig zum Dezember den Rückwärtsgang einzulegen. Ich hab noch immer die Kurve gekriegt und bin dem Krampus aus dem Sack gesprungen. In diesem Sinne: Auf ein Neues, euer Flo!