Mein 7. Jahr

2018 wird schon wieder mein Jahr! Im Kindergarten haben wir das Thema Dschungel aus allen Blickwinkeln durchleuchtet und ich habe die Rolle des hinterlistigen Tigers Shirkan aus dem Dschungelbuch im Fasching gemimt, obwohl meine Oma der Mama einen echt fiesen Spartipp für mein Kostüm gegeben hat: "Lass ihn doch als Mowgli gehen - sich bis auf die Windel nackig zu machen, ist doch eh sein Spezialgebiet!" Unverschämtheit, oder?!


Gelassenheit üben

„Das Aussortieren des Unwesentlichen ist der Kern aller Lebensweisheit.“

(Laozi, chinesischer Philosoph, lebte im 6. Jahrhundert v. Chr.)

Die Weisheit der chinesischen Philosophen ist leider noch nicht zu Mama durchgedrungen: Nachdem unsere Madagaskarreise für die Sommerferien gebucht war, setzte bei Mama schon im Januar umgehend die Schnappatmung ein. "Eine Tropenreise ist eine andere Nummer als das Südliche Afrika!" jammerte sie vor sich hin, telefonierte mit dem Tropeninstitut und erstellte Packlisten. Wir Männer waren da ganz relaxt und verstanden die ganze Aufregung nicht - Mama würde im Notfall schon das Richtige für uns in einem der 6 (!!) Gepäckstücke haben, ommmmmm!


Der Mentalcoach

Seit Anfang des Jahres trainiere ich nun schon Mamas Nerven, um sie von schlappernden Gummibändern in stahlharte Drahtseile zu verwandeln. Ich gebe vor, ganz friedlich ein Buch in meinem Zimmer zu studieren. Aus dem Augenwinkel sehe ich selbstverständlich, dass Mama alle 5 Minuten den Kopf durch die Tür schiebt, erleichtert seufzt und wieder nach unten schleicht, um ihren Kaffee "in Ruhe" zu trinken. Nach ihrer 5. Stippviste ist meine Stunde gekommen. Sie ist nun tatsächlich der Überzeugung, ich hätte einen unglaublichen Entwicklungsschritt vollzogen und sei zum vernünftigen Kind gereift, das sich für ein halbes Stündchen verantwortungsvoll allein zu beschäftigen weiß. Böser Fehler! Das nächste was sie hört, ist ein plätschernder Wasserhahn im Bad. Alarmiert eilt sie herbei und findet mich artig beim Händewaschen. Ihr Lob ist mir gewiss. So toll kann Bubilein seine Händilein schon selber waschen! Tränen der Rührung und des Stolzes glimmen in ihren Augen, doch dann auch der Funke der Erkenntnis: Warum wäscht er sich eigentlich die Hände?! "Alles voller Creme", sage ich lapidar. "Was hast du getan?" die alarmierte Gegenfrage. "Ich zeige dir!" entgegne ich stolz und führe Mama in mein Zimmer zu meinem Meisterstück. Da Papa mal wieder beruflich unterwegs ist, muss ja jemand die Rolle des Handwerkers im Haus ausfüllen und ich fand, es war schon lange mal an der Zeit, die Steckdose zu ölen. Also habe ich kurzerhand meinen Sternenprojektor abgesteckt und mit der Bepanthensalbe, die auf meinem Nachttisch lag, die Steckdose eingecremt! Meine Mama verfärbt sich von kreidebleich nach dunkelrot: "Muss ich jetzt tatsächlich wieder die Babysicherungen einbauen, wenn ich will, dass du lebst?" sagt sie übel keuchend und stürmt aus dem Zimmer. Wie ich schon sagte, man kann ihr nichts recht machen. Davon kann auch Papa ein Lied singen, was uns zur nächsten Geschichte bringt.


Der Heimwerker-Gott

Unlängst sollte Papa eine neue Ikea-Deckenlampe installieren, nachdem er das Vorgängermodell mit seiner Trittleiter beim verzweifelten Versuch, ein Regal an der Wand zu befestigen, vor 4 Jahren zerschossen hatte. "Zerschossen", meine ich genauso, wie ich es sage, denn von 5 Glaskugeln gleich 3 auf einen Streich zu zerdeppern, schafft nur Papa. Nachdem die traurigen Überreste als Mahnmal einer missglückten Handwerker-Ära nun jahrelang von der Decke gebaumelt sind und für Papa ebenso zum liebgewonnenen Inventar zählten wie die nackten Glühbirnen in unserem Keller, sah Mama das mal wieder ganz anders. Ich denke, es ist irgendwie hormonell bedingt, dass ab und zu dieser "Alles muss anders werden!" - Frischewind durch ihre Adern pustet und uns Männer zu irgendwelchen Sinnlosaktionen zwingt. In diesem besagten Falle war eine Reise zu IKEA Salzburg nötig, wo wir nach einem denkwürdigen Shoppingerlebnis (andere Geschichte ;-)) stolze Besitzer einer Deckenlampe wurden, die Dank ihres futuristischen Aufklappmechanismus sogar einen Design-Award gewonnen hat. "Diesen Award hat sich doch IKEA selber verliehen!" schnaubte Papa wütend, als er zu Hause vor dem 1000-teiligen Lampenpuzzle stand, das er aus dem kleinen Karton zauberte. "Ich brauche einen Deckenhaken!" fügte er dann befriedigt hinzu. Glücklicherweise hatte der Baumarkt schon zu und so legte Papa ohne Umschweife die Arbeit nieder. Nicht ohne die Lampenteile in Flo-sicheren Höhenlage zu verstauen! Was Papa allerdings in seinem Eifer übersah war, die Klappleiter wieder aufzuräumen. Da stand sie in der Mitte des Büros und flüsterte mir zu, eine kleine Kletterpartie zu wagen. Als Mama um die Ecke bog, stockte ihr der Atem angesichts meiner Akrobatik-Nummer: Wie eine Ballerina tippelte ich auf Zehenspitzen auf dem schmalen Trittbrett und versuchte, den Design-Award vom Regal zu schubsen. Ich wusste sofort, dass es jetzt Ärger geben würde. Da half nur ein Ablenkungsmanöver: "Ich springe und schlage mir die Zähne aus!" rief ich drohend. "Nicht springen!" schrie Mama entsetzt und setzte zum Hechtsprung an, doch es war zu spät. Wie ein eleganter Adler erhob ich mich in die Lüfte unseres Dachgebälks und stürzte dann ab wie ein landeunfähiger Albatros. "Ich hab mir gar nicht die Zähne ausgeschlagen?!" sagte ich erstaunt, während ich mich hochrappelte. Auch Mama war unsanft gelandet. Sie sagte nichts, doch ihr Blick sprach Bände. Dann nahm sie sich Papa zur Brust und sein trauriger Dackelblick sagte mir, dass ihm ein Hebe-Senk-Einlauf an diesem Tag deutlich lieber gewesen wäre als ein Gespräch mit Mama.


Solidarität unter Frauen

Damit Papa auch ganz sicher endlich die Deckenleuchte befestigt, scheuchte ihn Mama unter ihrer strengen Aufsicht am nächsten Tag in den Baumarkt und erlebte dabei ihr persönliches Highlight zum Thema "Frauensolidarität".

Wie üblich raubte die handwerksgeschwängerte Atmosphäre des Baumarktes Papa die Luft zum Atmen und er wurde schon am Eingang extrem übellaunig. Mama stürmte als Taktgeberin voraus und irrte durch die unzähligen Reihen von Schrauben, Dübeln und Nägeln. "Du rennst ohne Hirn und Verstand durch den Laden!" meckerte Papa lautstark in typischer "Ich-soll-handwerken-und -mog-ned!"-Manier. Normalerweise überhört Mama derartige unflätige Beschimpfungen, denn nach 20 Jahren mit Papa weiß sie, er meint es nicht böse, er zerfließt nur vor Selbstmitleid! Nicht so tolerant ist eine alte Dame, die aus Gang 7 heraussschießt wie eine angestochene Tarantel: "Wos hod der grod zu earner gsagt? Ohne Hirn und Verstand?!  Wissens wos? - Scheuerns ihm doch einfach oane!" Dann verschwindet die wohlmeinende Fee schnappatmend wieder im Feenreich - genauer gesagt, Gang 7 - um ihrem eigenen Mann zur Seite zu stehen, der ratlos einen Hunderterpack Dübel hin und her dreht: Waren es jetzt 10er- Dübel oder Dübel für 10-er Schrauben, die er benötigte?

Mama zwinkerte ihrer Schwester im Geiste noch einmal aufmunternd zu, denn keiner wusste besser als sie, wie das Leben an der Seite eines "Handwerker-Gottes" eine Frau verhärmen konnte und eilte dann mit einem Lächeln auf den Lippen in Gang 8 zu Papa, der sich mittlerweile eine Fachberatung, Typ Bob der Baumeister, zu Hilfe geholt hatte. Bob trägt auch in seiner Freizeit einen Werkzeuggürtel, an dem seine polierte Hilti baumelt. Er sägt, bohrt und schraubt aus Leidenschaft und repariert alles und jedes. Er ist Muttis Juwel im Haushalt, denn was kann man nicht alles Praktisches aus hässlichen Spanplatten zusammenschrauben, um Mutti eine Freude zu machen? Und während er auf seiner Trittleiter balanciert und sich von Mutti eine Flasche Bier hinaufreichen lässt, versenkt dieser Mann ohne großes Aufheben einen 10er-Spreiz-Hohlraumdübel in der Decke, um daran den Deckenhaken nebst IKEA-Award-Winning-Lampe zu befestigen. Mutti klatscht Beifall und serviert ihrem Göttergatten für diese männlich-testosteron-reife Leistung noch ein Salamischnittchen auf dem Silbertablett, während er sich die Hilti wieder lässig in den Werkzeuggürtel schiebt.

"Blöder Gschaftlhuber!" denkt Mama und sagt im Ingrid Steeger-dummes-Blondchen-Ton laut zu Papa: "Das soll der richtige Haken sein? Da brauchst du doch bestimmt wieder noch eine Spax dazu!" Befriedigt sieht Mama zu, wie Männersolidarität unter 2 grundverschiedenen Typen funktioniert, die zeitgleich entschieden haben, dass Frauen definitiv zu blöd für die Welt sind. Papa packt peinlich berührt den von Bob empfohlenen Haken, entschuldigt sich für Mamas grenzenlose Naivität und stürmt gen Kasse, während Bob kopfschüttelnd zurück zu seinem Infoschalter wandert. Heute abend wird Bob Mutti von dem armen Schwein im Baumarkt erzählen, der mit dieser absolut kenntnisfreien Schnepfe geschlagen war. Und zum Dank, dass ihm Mutti die Hilti mit einem Microfasertuch auf Hochglanz poliert hat, wird er ihr ein weiteres schönes neues Regal aus Press-Span bauen!

Irgendwie ist Mama froh, dass sie nicht Bob mit heimnehmen muss, sondern Papa - auch wenn der Award-Winner immer noch nicht an der Decke baumelt. Zitat Papa: "Wenn ich sage, ich repariere das, dann repariere ich es auch - man muss mich nicht alle 6 Monate daran erinnern!" (Zitat Ende). Ich vermute, es gab wohl doch ein Spax-Problem.


Shopping with disaster

"Nimm dieses Kind, bevor ich mich vergesse!" sagt Papa mühsam beherrscht. Ich hänge wie ein nasser Sack (Codewort Gummimann) in seinen Armen und er schlenkert mich ungebremst zu Mama hinüber, die uns ahnungslos soeben die Tür geöffnet hatte. "Was ist passiert?" fragt sie alarmiert. "Ich war MIT FLO beim EDEKA!" antwortet Papa tonlos und beseitigt damit sämtliche Fragen. ICH war passiert!

Im Edeka in Bergen gibt es dieses tolle gelbe Auto, das gleichzeitig ein Einkaufswagen ist und sich aufgrund seiner monströsen Ausmaße kaum lenken lässt. Deswegen hasst es Papa. Und deswegen liebe ich es! Ich habe jederzeit genügend Gelegenheiten, mich abzuschnallen und unbemerkt hervorzuquellen, um Dinge, die mir gefallen, in den Einkaufswagen zu laden oder mich mit einer Judorolle unvermittelt vor anderer Leute Einkaufswagen zu werfen. Doch heute ist da kein gelbes Auto - ein anderes Kind hat es gekapert!

Ich bin so wütend, Papa hingegen grinst triumphierend und schiebt mir den Mini-Einkaufswagen vor die Nase. "Dann nimmst halt den!" sagt er arglos. Wenn er Krieg wollte, bitte schön! Ich presche los und fahre über den Haufen, was sich mir in den Weg stellt. Ganz nah vorbei an den edlen Weinregalen und teuren Spirituosen. In Windeseile grabsche ich mir Tampons aus dem Regal und schmettere sie in den Einkaufswagen. Dann klettere ich beim Tchibo-Stand auf das wackelige Regal, um die leerlaufende Kaffeemühle in Betrieb zu nehmen. Ich haste weiter zur Fleischabteilung und plärre: "Will Wurst haben!"

"Bist du denn ganz allein unterwegs?" fragt die Fachverkäuferin wenig amüsiert. Dann kommt Papa endlich atemlos angespurtet. Den mir per Definition zustehenden Wurstzipfel habe ich mir zu diesem Zeitpunkt längst schon ohne seine Hilfe erkämpft!

An der Kasse klettere ich auf das Förderband und werde zum Körperbrett bei Papas Versuch, das zu verhindern. Schließlich lädt er mit gesenktem Kopf die Sachen auf das Kassenband, die ich eingekauft habe: Die Tampons, Gummibärchen und als gesunden Ausgleich eine Packung Vollkorn-Fischstäbchen. Die habe ich bei meinem selbsterfundenen Spiel Ich-öffne-in-Rekordzeit-sämtliche Gefriertruhendeckel-des-Supermarktes noch schnell mitgehen lassen. Jetzt ist Papa stinkesauer auf mich - weiß der Geier warum?!


Shopping without Flo but with mega disaster

Immer bin ich an jedem Chaos schuld! Doch nun werde ich den ultimativen Beweis antreten, dass meine Eltern es auch ganz ohne meine Hilfe schaffen, sich beim Einkaufen bis auf die Knochen zu blamieren!

Ich fahre gerne zum Ikea, denn dort gibt es das Smaland. Während Papa und Mama langweilige Design-Award-Winning-Lampen aussuchen, kann ich hier in Ruhe meiner Leidenschaft für Bällebäder fröhnen. Mama schätzt die Abgeschlossenheit des Kinderparadieses sehr, vor allem seit sie von meiner Betreuerin Katharina erfahren hat, dass ich zusammen mit meinem Freund Jakob im Kindergarten das gesamte Bällebad zerlegt und die Bälle übers Treppenhaus vom 1. Stock bis in den Keller befördert habe!

Nachdem ich also im Smaland abgegeben war, machten sich Mama und Papa auf ihre große Lampenmission. In der "Sachen-die-die-Welt-nicht-braucht"-Abteilung (Zitat Papa) traf Mama die folgenschwere Entscheidung: "Wir brauchen einen neuen Pfannenwender, nachdem Flo den Alten eingeschmolzen hat!" Man sollte nicht glauben, dass ein schnöder Pfannenwender einen handfesten Ehekrach auslösen könnte, aber die Stimmung meiner Eltern war bereits auf Höhe der Frischhaltebeutel gekippt und stark vorbelastet. Während Mama vor dem ISTAD-Gefrierbeutel-Angebot lediglich die quälende Frage beschäftigte, ob meine heißgeliebten Brezen besser in einem 0,4l, 1,2l oder gar 2,5l-Beutel aufbewahrt werden sollten, ging es Papa um die Aufbewahrung der hochwichtigen Kabelsammlung seines Kameraequipments. "Ich brauche aber die 5 l-Beutel für meine Kabel!"  sagte er trotzig und pfefferte eine Packung ISTAD 5 l in den Wagen, der 2 Packungen Brezenbeutel von Mama folgten. Das war nicht der Tag für wichtige Entscheidungen und Beutel konnte man schließlich immer brauchen! "Na super, dann streiten wir jetzt beim Pfannenwender weiter!" sagte Papa beleidigt und rauschte ab zum Kochutensilien-Abteil. Kaum zu glauben, dass 2 erwachsene Menschen eine 10-minütige, hitzige Diskussion über Vor- und Nachteile von Metallwendern gegenüber hitzefesten Plastikwendern führen können! Papa knallte schließlich den Plastikwender in den Einkaufswagen und gab sich geschlagen. Er hatte in dem Moment verloren, als  Mama begann, ihm vorzurechnen, wer wie oft den Bratenwender überhaupt verwendete und damit das Vorrecht auf die Entscheidung hatte. Gleich würden sie sich mit den Pfannenwendern duellieren, wenn nicht der Klügere nachgab! Oh mein geliebtes Smaland - meine Insel der Ruhe und Glückseligkeit, fernab dieser wahnsinnigen Kinder, die sich meine Eltern nennen!

"Was hältst du von der Lampe? Hat sogar einen Design Award, muss ja dann toll sein!" knurrte Mama. "Her mit dem Scheißding!" knurrte Papa zurück und packte den Karton nebst Ersatzbirne eilig in den Wagen, bevor wieder eine Pfannenwender-Situation entstehen konnte und Mama eine 2. Lampe entdeckte. Unter eisigem Schweigen wurde der Weg bis zur Kassenschlange fortgesetzt. "Geh doch Du schon mal Flo im Smaland abholen und ich zahle und komme dann nach!" offenbarte Papa seinen grandiosen Masterplan und Mama rauschte wortlos davon, um mich endlich wieder in ihre liebenden Arme schließen zu können. Sie hatte mich ja so vermisst! Papa begann derweil, die Sachen aus dem Einkaufswagen auf das Förderband zu laden und seine Wut auf Mama steigerte sich dabei ins Unermessliche. Was hatte dieses Weibsbild hinter seinem Rücken wieder alles für Scheiß eingekauft: Geschmacklose Plastikschneidbretter in Neonfarben, hässliche Trinkgläser im Dutzendpack und die unvermeidlichen Teelichter im Riesensparbeutel - als ob man den ganzen Müll nicht schon seit Jahren im Schrank stehen hätte!

Als Papa das Corpus delicti, besagten Pfannenwender, aufs Band legt, schwant ihm urplötzlich Böses: Wo waren Flos Malkasten, das Malbuch und sein Memoryspiel abgeblieben? Und wo Vaters geliebte ISTAD Gefrierbeutel???? "Stopp, das ist gar nicht mein Wagen!" ruft Papa der verdutzten Kassiererin zu, die soeben das letzte Produkt über den Scanner zieht. "Das ist ja lustig!" sagt sie und sieht ihn dabei mit einem Blick an, der darauf schließen lässt, dass sie heimlich unter dem Tisch den Notrufknopf für die weißen Männer mit den hübschen Zwangsjacken drückt. "Könnten wir das rückgängig machen? Ich muss meinen Wagen suchen!" sagt Papa und möchte im Erdboden versinken. Seitdem wissen wir, dass die Kassenbänder im IKEA Salzburg tatsächlich auch rückwärts fahren können! "Hallo, Beppo!" sagt eine Stimme aus der Kassenschlange - es ist ein Arbeitskollege von Papa! Da ist man bis nach Österreich gefahren, um in einem Geschäft mit tausenden von Menschen ganz in der Anonymität zu versinken und trifft ausgerechnet in der schwärzesten Stunde auf einen Bekannten - das Schicksal konnte echt grausam sein! Nach etwas Smalltalk rast Papa mit dem wieder vollgeladenen Einkaufswagen zurück in die Abteilung "Sachen-die-die-Welt-nicht-braucht". Dort steht er, einsam und verlassen - unser Einkaufswagen. Mit meinem Malkasten, dem Malbuch und dem Memory. Mit Papas heißgeliebten 5l-Frischhaltebeuteln und Mamas Brezenbeuteln. Schnell lädt Papa unsere Design-Winning-Award-Lampe, den Bratenwender und die Ersatzlampe in "unseren Wagen" um und flieht, bevor ihm die rechtmäßigen Besitzer des Teelichter-Trinkgläser-Plastikschneidbretter-Wagens eins auf die Muppe hauen können. Ich bin mir sicher, dass es an diesem Tag ein weiteres äußerst übellauniges Paar im IKEA Salzburg gegeben haben wird!


Der Kobold

Pumuckl neckt, Pumuckl versteckt und niemand was meckt!

 

Eigentlich war der Kobold mit dem roten Haar ja ursprünglich Mamas Kindheitsheld, aber ich muss schon sagen, dass sie in einer echt coolen Zeit aufgewachsen ist: Da wurde im Fernsehen noch geraucht und gesoffen, was das Zeug hält und Pumuckl durfte politisch inkorrekt den Schwan als "dumme Sau" beschimpfen. Heutzutage werden alle Kindersendungen durch die Supernanny zensiert und heraus kommt dann zum Beispiel Jonalu: 2 singende Mäuse und ein brabbelnder kleiner Käfer, die meine Eltern mit ihren dahingequäkten Liedern in den Wahnsinn treiben. Deswegen gefällt mir Jonalu ganz ausgezeichnet ;-)

Aber der Pumuckl ist mein leuchtendes Vorbild und ich perfektioniere mein koboldhaftes Wesen mit jedem Tag.

 


Das Schlüsselerlebnis

 

"Einmal durchfeiern und morgens ohne Kind aufwachen, wie in alten Zeiten - das wäre schon was!" seufzt Mama wehmütig und starrt sehnsüchtig auf die Einladung einer Freundin aus Studentenzeiten zu deren rauschender Geburtstagsfeier in Bayreuth.

 

Da Oma und Opa gar nicht weit von Bayreuth entfernt im schönen Oberfranken leben, ist die Sache tatsächlich geritzt. Ich darf bei Oma und Opa residieren und Mama und Papa lassen es bei Bier, Live-Funkmusik und Cocktails zum ersten Mal wieder richtig krachen, seit ich in ihr Leben getreten bin - eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten!

 Mein Opa sieht das ganz anders, denn leider ist er es, der am Tag danach mit Katerstimmung erwacht! Nach unserer Abreise macht Opa nämlich eine folgenschwere Entdeckung: Pumuckl-Flo hat sämtliche Schlüssel von Opas großem Schlafzimmer-Kleiderschrank nebst Schloss abmontiert und sehr gut versteckt! Da stehen Opa und Oma nun in ihren Schlafanzügen und kommen nicht mehr an ihre Klamotten ran! Mama wird von der Missetat ihres Sohnes via Whatsapp in Kenntnis gesetzt und startet peinlich-berührt einen verzweifelten Rettungsversuch von Omas und Opas versautem Tag: Sie funkt SOS an meine Kiga-Betreuerin Katharina, die mich umgehend aus dem Morgenkreis entfernt, um mich im Kreuzverhör in die Mangel zu nehmen. Wo sind die Schlüssel?! "Unter Hemd stoppen in Schrank!" sage ich, aber man schenkt meinen Worten keinen Glauben. "Nein Flo, der Schrank ist abgesperrt. Die Schlüssel können gar nicht drin sein. Sag die Wahrheit!" insistiert Katharina streng. "Zwischen Schlüssel im Klo runtergespült und Schlüssel verschluckt ist bei Flo alles drin!" jammert Mama und macht mich mal wieder schlechter als ich bin! "Ich hab keine Hosen!" murrt Opa aus der Ferne. Unter Druck arbeite ich ungern bis gar nicht - also wenn mir sowieso keiner richtig zuhörte, dann ging es auch anders: Bis Mittag lasse ich mir ein Potpourri an Geschichten zu den versteckten Schlüsseln einfallen und schlage bei den Verhören so viele Haken, dass die Hoffnung meiner Zuhörerschaft gegen Null tendiert.

Am späten Nachmittag dann der erlösende Anruf von Oma - Opa muss nicht länger in Unterhosen durchs Leben schreiten, denn sie hat die Schranktür mittels einer Gürtelschnalle aufgehebelt. "Eine Dauerlösung ist das natürlich nicht!" murrt Opa dennoch. "Hat du Lüttel bunden?" frage ich Oma, denn sie versteht Florianisch. "Nein, Flo." antwortet sie gequält und dann geht alles wieder von vorne los: Wo sind die Schlüssel, FLO???!!!!

"Sag ich doch: Unter Hemd stoppen in Schrank!" antworte ich und bin jetzt stinksauer. Warum ignoriert eigentlich jeder meine präzisen, fast schon mit GPS-Koordinaten versehenen Hinweise zum Aufenthaltsort dieser blöden Schlüssel?

"Könnte es denn sein, dass die Schranktüren gar nicht abgesperrt sind und Flo die Wahrheit sagt?" fragt Mama investigativ und Oma schweigt nachdenklich. Nun gut, einen Griff oder Knauf hatten die Türen definitiv nicht. Wenn sie mit Schwung zugedrückt wurden, könnten sie tatsächlich verschlossen wirken, ohne es zu sein. Oma dämmert es so langsam: "Na ja, mit der Gürtelschnalle konnte ich die Tür ganz leicht aufhebeln. Liegt im Bereich des Möglichen, dass die Schlüssel im Schrank sind!" entgegnet sie kleinlaut.

Bis sich Oma durch die Untiefen ihres mächtigen Kleiderschrankes gewühlt hat, vergeht ein weiterer nahezu hosenloser Tag für meine Großeltern. Dann die Erlösung: "Die Schlüssel sind wieder da! Sie waren tatsächlich dort, wo Flo gesagt hat!" jubelt Oma. "Hab ich doch gesagt!" sage ich trotzig. Auf eine Entschuldigung warte ich bis heute!


Reifezeugnis

"Ich bin ja nun weiß Gott keine von diesen ehrgeizzerfressenen Übermüttern, die ihr Kind ständig zu Höchstleistungen peitschen. Und vom Traum, mein Sohn würde eines Tages die Weltformel entwickeln, bin ich auch Äonen entfernt. Aber dieser Auftritt war zu viel für mein System!" sagt Mama zu Oma, während die beiden eine Flasche Wein entkorken - um 2 Uhr nachmittag!

 

Grund für ihr Besäufnis ist nicht etwa der Jubel über meinen wahrlich innovativen Input bei der Einschulungsuntersuchung, sondern ihre Frustration über meine angebliche "Teilnahmeverweigerung" an idiotischen Testreihen, die uns Vorschüler in eine Normschublade stopfen wollen! Ich bin aber nicht die Norm, ich bin die Ausnahme von sämtlichen Regeln!

 

Um gegen die Normierung zu demonstrieren, legte ich während der 1-stündigen Fragestunde mein Hauptaugenmerk lieber auf die eingehende Untersuchung der Sehtest-Apparatur, die man hoch und runter fahren und wunderbar in einen Kran verwandeln kann. Das Spiralkabel am Kopfhörer für den Hörtest war auch sehr interessant - man konnte es ganz stark in die Länge ziehen und schnelzen lassen. So faszinierend, dass ich darüber ganz das Zuhören vergaß. Und als ich die Reihe Rot-Grün-Blau-Rot-Grün-? vervollständigen sollte, bestand ich auf gelb, weil das meine Lieblingsfarbe ist, die eindeutig fehlte! Mir konnte ja dann auch keiner wirklich den Sinn erklären, warum ich da blau hinmalen sollte. Weil es eben so ist und weil das alle machen? - Schwachsinn! Gelb fehlt und damit basta. In MEINER Schule lernt man fürs Leben, nicht für die Schule! Deswegen packte ich dann auch zusammen und verkündete: "Jetzt nimmer!" Ich war fertig mit dem Einschulungstest, auch wenn die nette Prüferin, Mama und Oma das offensichtlich anders sahen.

"Dann lass uns anstoßen, auf unseren blinden und tauben Totalverweigerer - der uns heute eine schwere Entscheidung leicht gemacht hat: Einschulung? - Nein danke!" sagt Mama augenzwinkernd und besinnt sich schnell zurück auf ihr Lebensmotto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht!


Töpfchentraining

"Hattu Kackbeutel bunden?" frage ich Mama stolz, die wie jeden Tag mit angewidertem Gesichtsausdruck einen zugeknoteten Müllbeutel mit delikatem Inhalt aus dem Kindergartenrucksack fischt: Mein metaphorisches Statement, dass mir das Töpfchentraining zum Himmel stinkt!

"Bis zu den Sommerferien musst du das Klogehen schaffen, Flo. In Madagaskar gibt es nämlich keine Windeln!" sagt Mama frustriert.

"Was für ein Schmarrn!" denke ich mir und entgegne nichts. Wollte Mama mir tatsächlich weiß machen, dass die Kinder dort auf den Boden kacken?

"Es GIBT keine Windeln - schon gar nicht solche Riesenschlüpper, wie du sie brauchst!" bekräftigt Mama noch einmal, weil sie meinen Blick folgerichtig gedeutet hat. "Dann kack ich halt in Badehose!" antworte ich diplomatisch und bekräftige meine Entscheidung mit einem formschönen Haufen, der in diesem Moment in meine Unterhose plumpst.


Der Oster-Krampus

Die Vorfreude auf Ostern kam vor allem in meinen enthusiastischen Bastelwerken zum Ausdruck. Wusstet ihr, dass es eigentlich der Krampus ist, der die Eier bunt bemalt und zu den Kindern bringt? Der Osterhase ist nur schmückendes Beiwerk und wird nicht mehr gebraucht, sobald er die Eier gelegt hat und wird vom Krampus aufgefressen!

Mama hatte mir im Schreibwarenladen in Grassau eine neue Kinder-Bastelschere gekauft, die ich auf der Heimfahrt nicht mehr aus meiner Hand geben wollte. Da besagte Schere nicht nur durch Kabelbinder in der Verpackung fixiert, sondern auch noch zusätzlich kindersicher verschweißt war, gewährte mir Mama den innigen Wunsch, die Schere in meinem Schoß nach Hause zu transportieren. Nach 5 km Fahrtstrecke verkündete ich stolz: "Dau mal Mama, habe Lötter in Hode genitten!" (Schau mal, Mama. Ich habe Löcher in meine Hose geschnitten!") - Es waren 3 an der Zahl, in meiner niegelnagelneuen Jeans von Oma, das war echt stylish!

Mit quietschenden Reifen fuhr Mama rechts ran und legte eine Vollbremsung hin. Mit hochrotem Gesicht riss sie die hintere Autotür auf, um mein Werk mit eigenen Augen zu bestaunen. "Bist du von allen guten Geistern verlassen, du Irrer?" meckerte sie mich an. Das war nicht ganz die Reaktion die ich erwartet hatte - ein bisschen Stolz und Huldigung meiner reifen Entpackungsleistung hielt ich definitiv für angebrachter - an derartigen Verpackungen scheiterten meine Eltern selbst schließlich ständig und ICH war es, der das Patentrezept entwickelt hatte!


Eierlegen mit Hindernissen

Die Osterferien verbrachten wir auf Teneriffa und mich beschäftigte seit dem Abfllug eine quälende Frage: Würde der Osterhase seine Eier auch auf einer spanischen Insel legen?

Nun kann ich dies aus allererster Hand bzw. aus eigener Erfahrung berichten: Ja, das tut er!

 

Aber teneriffische Osterhasen haben es echt nicht leicht. Genaugenommen haben sie es sogar so schwer, dass sie ihre Nester in einem Kaktus bauen müssen! Ich möchte nicht in der Haut des Hasen stecken - er kann bestimmt bis Ostern nächsten Jahres nicht mehr auf seinem Popo sitzen, weil der gespickt ist mit Kaktusstacheln!

Ich weiß das so genau, weil allein die "Eier-Ernte" schon eine extrem ruhige Hand erforderte!

Dafür gibt es aber keinen Krampus, der den Osterhasen auffrisst. Auch wieder schön für ihn!


Reinhold auf dem Vulkan

Auf Teneriffa gibt es den inaktiven Vulkan Teide - eine neue Herausforderung für mich! In einem Steilhang ging mir die Puste aus und ich ließ mich kraftlos auf einen Felsen sinken. Weil das Motiv so malerisch war, kramte Mama nach ihrem Handy. Da ich mich noch etwas martialischer in Szene setzen wollte, beschloss ich, ihre Ablenkung zu nutzen, um den Felsen wie Spiderman zu erklimmen. Was ich jedoch von unten übersehen hatte, war die Tatsache, dass der Felsen oben an einer Steilkante 4 m senkrecht abfiel!

Papa brüllte in Panik: "Stoppppp!", was mich erst recht zu Höchstleistungen animierte. Mama schmiss alarmiert ihr Handy in den Busch und hechtete hinter mir her. Gummimann-Körperbrett-Flo wurde vom Felsen gezerrt und aus war es mit meiner Besteigung des Teide! Na ja, er ist auch von unten ziemlich eindrucksvoll!


The Return of Mr. Bean

Das Frühjahr lief einfach wahnsinnig gut für mich - dank der Hitze konnte ich meiner Leidenschaft, dem Schwimmen und Tauchen, fröhnen und verbesserte hier meine Technik vom Tripp-Trapp eines Straßenköters zu der gleitenden Eleganz eines Delfins.

Theatralisch riss ich mir für immer die Schwimmweste von der Brust und versenkte mich mit einem Kopfsprung vom 1 m Brett im Schwimmerbecken. Nun, da ich allen gezeigt hatte, dass ich es konnte, war es langweilig und ich versperrte lieber den springwütigen Posern auf dem Sprungbrett den Weg mit einer kleinen Mister Bean-Parodie. Mit schlotternden Beinen bewegte ich mich in Zeitlupe auf dem Brett nach vorne, rollte mich dann in stabile Seitenlage, spielte toter Mann und hängte mich schließlich zitternd rücklings unten an das Brett, bevor ich ins Wasser fiel. "Das arme Kind zitttert ja vor Angst" sagte eine Frau kopfschüttelnd zu Papa und zeigte damit unverhohlen, dass sie ihn für einen väterlichen Total-Versager hielt. "Er macht doch nur den Mister Bean!" sagte Papa stattdessen mit stolzgeschwellter Brust, denn nicht viele Väter können von ihrem Sohn behaupten, dass er einem Sonderling mit Deppenpony und kackbrauner Bundfaltenhose nacheifert! "Stimmt, der ist echt genau wie Mister Bean!" sagte ein Vater zu Papa und beide lachten sich schlapp. Die Frau konnte ihre Freude nicht teilen - wahrscheinlich hatte sie noch nie von Mr. Bean gehört. Das war eben echter Männerhumor.


Männerpension

In den Pfingstferien "verließ" uns Mama und begab sich auf einen einsamen Roadtrip mit Zelt und Laptop in ihre schöne Heimat Franken, um ohne Störung an ihrem Buch zu schreiben. Was hieß hier "Störung"? - Ich fand es unglaublich unverschämt von ihr,  uns so schmählich im Stich zu lassen und schickte ihr ein "Hau ab!" mit auf den Weg. Papa hingegen heuchelte Verständnis - schließlich hatte Mama sich seit meiner Geburt durch viele alleinerziehende Zeiten schlagen müssen, da war es nur recht und billig, dass er nun in Eigenregie unsere Männerpension führte. Er versicherte Mama mit treuherzigem Augenaufschlag, dass ich dieses Experiment mit etwas Glück überleben konnte. Mama grinste hinterhältig und sagte dann scheinheilig: "Ich wünsche euch beiden eine inspirierende mutterlose Zeit." Dann stieg sie für meine Begriffe etwas zu schnell in ihr Auto, drehte das Radio auf und entschwand am Horizont. Das erste Mal in meinem Leben gab es nur Papa und mich. Was für ein Abenteuer! Endlich konnten wir in Unterhosen auf dem Sofa rumgammeln, uns ungestört den Hintern kratzen und wenn ich meine Rülpsgeräusche imittierte, würde ich erstmals Männer-Beifall statt Schimpftiraden ernten. Ich war so beseelt von der Vorfreude auf diesen Urlaub von Mama, dass ich meiner Begeisterung Ausdruck verlieh...

Doch meine Freude war nicht von Dauer, denn im Alltagstest entpuppte sich Papa binnen kurzer Zeit als ähnliche Spaßbremse wie Mama!

Im Überschwang hatte ich getan, was ich immer tue: Das Wohnzimmer verwüstet. Ich sag nur Playmais!!! Diese hervorragende Erfindung stammt laut Mama von irgendwelchen kinderlosen Schreibtischpupsern, die diese popcornartigen Kleinteile noch niemals einem florianischen Praxistest unterzogen haben, weil sie dann nämlich wüssten, was verhaltensoriginelle Kinder damit so alles anstellen können - z.B. ihre Eltern in den Wahnsinn treiben.

Jetzt wirkte Papa auf jeden Fall ganz so, als wäre er ein Fall für die Gummizelle. Mit überschlagender Stimme teilte er mir mühsam beherrscht mit, dass der tägliche Schwimmbadbesuch gestrichen sei, solange ich nicht gewillt war, dieses Chaos ALLEIN zu beseitigen!

 

Wozu halte ich mir denn das Personal? - Sicher nicht, um selber über den Boden zu kriechen und Playmais einzusammeln! Ach wie gut, dass mir das sommerliche Wetter voll in die Karten spielte, welches das Wohnzimmer mittlerweile auf kuschelige Tropentemperaturen hochgeheizt hatte. Papa perlte der Schweiß in dicken Tropfen von der Stirn. Ich sah es an seinem Dackelblick: Er heischte nach einem erfrischenden Bad! Ich saß definitiv am längeren Hebel, ich konnte es locker aussitzen, bis die Maske fiel und er die "Böse-Cop"-Rolle aufgab.

 

3 Stunden später war Papa gargekocht, desillusioniert und zu jedem Kompromiss bereit. Der Staubsauger verrichtete meine Arbeit im Nu und wir konnten endlich ins Schwimmbad. Das hätte Papa auch einfacher haben können.


Unser Schwimmbadbesuch entwickelte sich in mehrfacher Hinsicht zum Desaster für Papa:

1. Unser Männerteam war noch nicht so gut aufeinander eingespielt und so wusste er nicht,  wie unklug es von ihm war, mich in der Umkleidekabine zuerst umzuziehen. Dies bot mir nämlich die Gelegenheit für Schabernack, schließlich war ich gestiefelt und gespornt und bereit zum Abflug! Also entriegelte ich schon mal die Tür, während Papa gerade versuchte, sich seiner Badehose zu entledigen. Zu lustig, wie er einhändig an seiner Hose zuppelte und mit der anderen Hand gleichzeitig nach dem Türriegel angelte. Papa: Riegel zu, Flo: Riegel auf - das lustige Spiel wurde schnell langweilig. Daher nutzte ich die Gunst der Stunde und kickte meine vollgekackte Schwimmwindel unter der Umkleidekabine hindurch hinaus in den Gang. Da stand Papa, wie Gott ihn schuf, und konnte rein gar nichts machen - er konnte ja schlecht nackt nach außen schreiten und würdevoll die Windel einsammeln! Er konnte jetzt nur einen Zahn zulegen. Ich startete wieder mit dem Riegel-auf-Spiel und Papa trat der Schweiß auf die Stirn, denn trockene Klamotten über einen nassen Körper zu streifen, funktioniert genauso wenig, wie Haare von unten nach oben zu bürsten oder sich mit einer XL-Figur in eine XS-Größe zu zwängen!

Mein verzweifelter Papa bot einen unvergesslichen Anblick. Und da  in den Nachbarkabinen das Publikum seine filmreife Leistung nicht sehen konnte, wollte ich diesen legendären Showact wenigstens mit etwas Akustik untermalen. "Dicker fetter Pisi, dicker fetter Pisi-Papa!" schallte das Echo von den Kabinenwänden und Papa suchte das Loch im Boden, um sich darin zu versenken. Das behauptet er zumindest - aber ganz unter uns: Ein bisschen fühlt er sich auch geschmeichelt ;-) 

 

2. Wenig später gab es noch einen weiteren unschönen Vorfall:  Eine Kriebelmücke biss mich in den Hintern und als sich kraterähnliche Wunden und eitrige Blasen auf meinem Popo auftaten, bekam es Papa mit der Angst zu tun und er musste nun doch SOS an Mama funken, um ihren mütterlichen Rat einzuholen. Ich brauchte eine Antibiotikasalbe und das war es dann mit Schwimmbad.

 

Für den Rest der mutterfreien Zeit musste eine andere Freizeitbeschäftigung gefunden werden und Papa entschied sich für Almenwanderungen. Als wir den schattigen Bergwald verlassen hatten und in die sengende Pfingstsonne traten, fiel Papa mit Schreck ein, dass sonst ja immer Mama den Rucksack packte. Papa hatte in alter Gewohnheit das gemacht, was er am besten kann: Nichts einpacken! Und so endete unser Männerausflug mit dieser laufstegwürdigen Hutkreation a la Nature. "Mann muss sich nur zu helfen wissen!" sagte Papa und war mächtig stolz auf seinen kreativen Einfall.


Und das Leben ist doch ein Ponyhof

Nach den Pfingstferien startete ich direkt in ein großes Survival-Abenteuer: 2 Wochen ganz ohne Eltern durchschlagen!

Sie hatten sich unter dem Vorwand aus dem Staub gemacht, an einem Filmprojekt arbeiten zu müssen und da ich selbst gesellschaftliche Verpflichtungen im Kindergarten bezüglich einer Sportprojektwoche eingegangen war, reisten sie einfach ohne mich!

Ich nahm ihnen das zunächst mächtig übel und protestierte angesichts ihrer Pläne, die so nicht mit mir abgesprochen waren. "Von nichts kommt nichts!" sagte Mama, "Irgendjemand muss ja das Geld für unsere Madagaskarreise verdienen!" Und schon wieder setzte bei ihr die Schnappatmung angesichts der nahenden Reise ein. Es war besser, nicht mehr auf dem Thema rumzuhacken, bevor sie einmal mehr begann, ihre Packliste zu überarbeiten.

Also fügte ich mich in mein Schicksal - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Und unter uns gesagt - ich konnte mich wahrlich nicht beklagen! Hinter meinem Rücken waren Arrangements für mich getroffen worden, die einem Wellnessurlaub schon recht nahe kamen!

In der Sportprojektwoche des Heilpädagogischen Zentrums ritt ich dann als jüngster Teilnehmer auf dem Pony Sissi von Siegsdorf bis in die Schule nach Ruhpolding - das dauert fast 2 Stunden und ich war mächtig stolz auf meine Leistung, für die es eine Medaille nebst Urkunde gab. Schade, dass meine Eltern meinen triumphalen Einritt im Schulhof nicht miterleben konnten, aber dafür stand nun unserer Madagaskarreise nichts mehr im Wege.


Seargent Butterfinger und andere Katastrophen

Vor unserer langen Madagaskarreise stand noch eine große Scheraktion auf dem Plan. Für meine neue Frisur mussten Papa und Mama 350 km Fahrt auf sich nehmen. Sabine, die Starcoiffeurin meines Vertrauens, hatte ihren Laden nämlich in Arzberg, wo Oma und Opa wohnen. Ich lasse keine andere an meinen Kopf - nur Sabine!

Sabine machte wieder einmal einen tollen Job - ich sah aus wie ein frecher Igel. Damit die Haare lustig vom Kopf wegstanden, hat sie mir noch so ein bisschen Glibbergel reingeschmiert und Oma die Tube mit nach Hause gegeben, was mir später noch zum Verhängnis werden sollte...

 

Oma und Opa freuten sich sehr, dass wir sie besuchten. Sie waren nämlich mächtig stolz, weil sie die Diele und das Wohnzimmer ihres Hauses ganz frisch in einem hübschen Karamellton gestrichen und ein niegelnagelneues, hellbeiges Sofa gekauft hatten. "Schaut doch nur, dieser schöne matte Beigeton der Wände im Essbereich!" schwärmte Oma, während ich herzhaft in meine Butterbreze biss und Mama und Papa in fränkischen Bratwürsten schwelgten. "Oh!" und "Ah!" sagten Mama und Papa, bevor sie sich eilig wieder ganz ihrer Leibspeise widmeten. Oma hatte mehr verdient als ein lapidares "Schön, schön!". Dies große Werk der Streichkunst sollte nicht nur mit den Augen "betrachtet", sondern gefühlt werden!

Der speckig glänzende Handabdruck meiner Butterfinger ließ alle Beteiligten aufquieken - doch ich vermisste das wohlige Entzücken, das meine bereichernde Ergänzung des Kunstwerks beim Betrachter auslösen sollte. Man kann fast sagen, die Begeisterung für meinen kreativen Input fehlte gänzlich!

Versteh einer diese paradoxe Welt: Diesselben Menschen, die bis in die entlegendsten Winkel der Sahara gereist waren, um uralte Felszeichnungen von Handabdrücken irgendwelcher No-Names mit der Kamera zu dokumentieren und für die Ewigkeit zu archivieren, bemühten sich nun redlich, MEINE Spuren für immer zu verwischen. Ich hatte es eindeutig mit Kunstbanausen zu tun!


Was für ein Theater

Oma hatte außerdem Karten für die Luisenburg besorgt. Das ist ein tolles Freilufttheater mit einer Felsenbühne, wo wir uns alle "Das Dschungelbuch" anschauen wollten. Ich war schrecklich aufgeregt, meinen Leinwandhelden live zu begegnen. So aufgeregt, dass ich noch einen ungeplanten Haufen in die Hose setzte, als wir eigentlich gerade aufbrechen wollten. "Jetzt muss ich dir wieder alles ausziehen!" schimpfte Mama aufgebracht und machte sich schleunigst auf die Suche nach Wechselklamotten, denn Papa und Opa hatten schon mal den Wagen vorgefahren und warteten ungeduldig auf uns Nachzügler.

"Sollten wir Sonnencreme einpacken? Flo´s bleiche Haut holt sich heute sicher leicht einen Sonnenbrand!" gab Oma zu bedenken. Das machte mich stutzig. Durch die riesigen Wohnzimmerfenster knallte die Sonne. Das arme neue Sofa von Oma und Opa würde sich mit seiner hellen Haut sofort einen bösen Sonnenbrand einfangen! Gott sei Dank gab es ja mich, den Retter in der Not!

 

"Was macht der Irre da?" fragte Papa mit tonloser Stimme. Er war gekommen, um nach dem Rechten zu sehen, aber er war zu spät. Auch Mama und Oma waren zu spät: "Habe Sofa eingeschmiert wegen Sonnenbrand!" sagte ich zufrieden, die Haargeltube noch in der Hand.

Seitdem wissen wir, was ein sogenannter Lifehack ist - Papa hat ihn auf Youtube gefunden: Haargel-Flecken easy entfernen mit Evelyn. So habe ich als kostenloser Personaltrainer an jenem Tag nicht nur das Herz-Kreislaufsystem von Oma, Opa und meinen Eltern auf Touren gebracht, sondern ganz nebenbei auch ihren geistigen Horizont in Sachen Alltagskompetenz endlich auf den Stand meiner Generation Z gebeamt!

 


Rückkehr nach Madagaskar

Dann war es endlich soweit - unser großes Madagaskarabenteuer konnte beginnen. Die erste Herausforderung bestand schon darin, besagte 6 Gepäckstücke nebst 3 Fotorucksäcken und natürlich uns selbst in Mamas Fiat 500 zu zwängen, der uns zum Flughafen München bringen sollte. Ich muss zugeben, ich war an dem Umstand der 6 Gepäckstücke nicht ganz unschuldig, denn in einem riesigen Ortliebsack exportierten wir 240 Pampers XXL nach Madagaskar! Ich hatte Mamas Warnung, dass es in Madagaskar keine Windeln für mich gäbe, leider vollkommen in den Wind geschrieben. Jetzt hatten wir den Salat.

Nach 11 Stunden Flug sind wir dann auf Papa´s und Mama´s Trauminsel MADAGASKAR gelandet. Ich war wahnsinnig aufgeregt und sehr gespannt auf ihren Freund Dimby, der uns in den kommenden Wochen auf unserer Reise begleiten sollte. Dimby hat Ökotourismus in Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, studiert und arbeitet seit vielen Jahren bei Tanalahorizon als Chefguide. Tanalahorizon ist eine Reiseagentur, die sich seit 20 Jahren auf Madagaskarreisen spezialisiert hat. Vor meiner Geburt haben Mama und Papa viele Fotoreisen von Tanalahorizon begleitet und gehörten zum Team. Papa und Mama waren voller Vorfreude, Dimby nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen.

Dimby muss man einfach gern haben - und das Beste: Sein ältester Sohn Andrijanina ist genauso alt wie ich! Nicht lange, dann begannen auch die Ferien in Madagaskar und Andrijanina würde uns auf der letzten Etappe unserer Reise begleiten. Ich freute mich schon auf meinen neuen Freund, doch zunächst hatte ich Dimby ganz für mich!


Kulturschock

Alles hätte nun schön und gut sein können, aber das war es nicht! Der Start in unser großes Abenteuer verlief mehr als holprig. Ausgerechnet Mama, die daheim immer sehnsüchtig davon geschwärmt hatte, dass man alle Sorgen vergisst, sobald man den Boden dieser Insel betritt - fiel es dieses Mal sichtlich schwer, loszulassen. Sie war nervös, gestresst und gänzlich unentspannt - als wäre sie daheim in Bergen bei ihrer Packliste geblieben. Das machte mich nervös. Wie konnte ich mich auf unbekanntes Terrain einlassen, wenn mein Navigationssystem streikte?

Ich war extrem wütend auf Mama - sie hatte mich hierher geschleppt und jetzt versagte sie auf ganzer Linie! Ich konnte auch anders: Ich würde mich auf Nichts und Niemanden in diesem Neuland einlassen! Und das zog ich knallhart durch: Den Kindern, die mich kennen lernen wollten, drehte ich bockig den Rücken zu oder knallte ihnen die Autotür mit einem ruppigen "Hau ab" vor der Nase zu. Meist stieg ich gar nicht aus dem Auto, sondern hing gelangweilt in meinem Kindersitz und starrte missmutig auf die Menschentraube, die nur gekommen war, um mich kennen zu lernen. Je gemeiner ich mich benahm, desto unentspannter wurde Mama. Und je unentspannter Mama, desto mehr geriet ich in Rage. Es war ein verflixter Teufelskreis, der uns allen Dreien den kompletten Spaß an dieser Reise zu nehmen drohte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Urknall kommen würde...


Der Urknall

Ausgerechnet an Papa´s Geburtstag kam es zu einem denkwürdigen Showdown. Wo eigentlich die Sektkorken knallen sollten, knallte es erstmal anderweitig:

Wir waren zu diesem Zeitpunkt nach einer langen, holprigen Autofahrt über staubige Pisten in Morondava, einer Küstenstadt im Westen Madagaskars, angekommen. Ich hatte mich auf der Fahrt besonders schäbig benommen und stundenlang gelangweilt vor mich hin gejodelt und auf alle Anfragen von Mama mit "Halt die Klappe!" geantwortet. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Das war zu viel für Mama, sie packte weinend ihre Sachen und sagte, dass das MADAGASKAR-Experiment nun beendet sei und sie nicht mehr weiter wüsste. Sie wollte nur noch eins: nach Hause! In all den Jahren, in denen ich Mama nun schon kenne, habe ich sie niemals vor einer schwierigen Situation kapitulieren sehen. Jetzt war es soweit - sie war gefallen und würde nicht mehr aufstehen. Jemand musste ihr die Hand reichen. Tief im Innersten wusste ich, dass derjenige nicht Papa sein konnte. ICH hatte die Lawine losgetreten, jetzt musste ICH handeln. Ich ging zu Mama, wischte ihr die Tränen von der Wange und gab ihr mit Handschlag ein Versprechen: "Wir schappen dat, Mama!"

Das war die Stunde Null einer wunderbaren Reise durch MADAGASKAR. Das Team hatte zu seinen alten Stärken zurückgefunden und wir feierten dann doch noch gebührend Papa´s Ehrentag mit einem leckeren gegrillten Thunfisch. Auch ich hatte zu feiern: Den denkwürdigen Tag, an dem ich über meinen Schatten sprang und meinen Dickkopf besiegte. Manchmal muss es eben ein bisschen Mumm sein!


Was der Esel nicht kennt...

Mama hat sich im Vorfeld unserer Reise ganz schön ins Zeug gelegt, um mir Gemüse schmackhaft zu machen und meine Geschmacksknospen langsam von bayerischer Breze auf madagassischen Reis umzuprogrammieren. Verlorene Liebesmüh - denn in den vergangenen 7 Jahren seit ihrer letzten Reise hatten es nämlich längst die gute alte italienische Pizza sowie Nudeln mit Tomatensauce über den Indischen Ozean geschafft! 1:0 für mich und gegen Reis mit Gemüse!

 

Aber nicht dass ich noch den Eindruck hinterlasse, intolerant gegenüber Neuem zu sein. Ich bin durchaus flexibel und zeigte den Willen der Experimentierfreude: Ich verliebte mich in die madagassische Variante der chinesischen Suppe - mit ganz viel Nudeln und als kleines Extra oben drauf schwimmt eine weitere Leibspeise von mir: Ein aufgeschlagenes Ei!

Die Suppe wird in einer Schüssel von der Dimension eines Planschbeckens geliefert. Einmal war meine Portion so groß, dass Dimby lachend sagte: "Oh, it is a swimming pool!" Ich hörte nur das Wort "Pool", nahm schleunigst Anlauf und versenkte rasch meinen Kopf in der Schüssel - wie Michel aus Lönneberga!


Gesundheitstipps aus der Praxis

Ihr kennt doch sicher diese lächerlich kleinen Körbchen mit ungefähr 10 Physalis drin, die man bei uns in Deutschland für Preise kaufen kann, die darauf schließen lassen, dass diese Früchte mit Gold überzogen sein müssen?

Der Berg, der auf diesem Foto vor mir liegt, ist der Überrest der Physalis, die ich soeben als kleinen Zwischensnack verspeist habe! In Madagaskar wachsen die auch als Kapstachelbeeren bekannten Laternenfrüchte an wilden Sträuchern und werden von den Kindern geerntet. Für ganz kleines Geld kann man sie tütenweise an der Straße kaufen und sie sind auch viel leckerer als bei uns daheim - denn da habe ich noch niemals auch nur eine Einzige von ihnen probiert. Meine Liebe zu Physalis entdeckte ich auf Madagaskar und ich werde sie auch in Zukunft nur hier essen!

Noch ein kleiner Tipp für Menschen mit Verdauungsproblemen: 1 kg Physalis und der Darm tanzt Cha-Cha-Cha! Mama und der schwindende Pampersvorrat konnten ein Liedchen davon singen, dass ich es eindeutig mit meiner Physalis-Euphorie übertrieben hatte!


Quality-Time

Auf den anstrengenden Teil der Reise - lange Fußmärsche durch den Bergregenwald und durch Gebirgsschluchten - bereitete ich mich ganz gezielt und konsequent vor: Gar nicht! Wenn es soweit war, würde es sich schon fügen - wozu also jetzt schon Zeit auf Ausdauertraining verschwenden?

Sobald ich Wasser sah, war ich schon drin. Da meine Eltern deshalb ein Schwimmwindel-Problem bekamen, wurde kurzerhand die normale Pampers unter dem Neoprenanzug zur Schwimmwindel umfunktioniert. Die Saugkraft der Windel erwies sich in der Praxis unter diesen Extrembedingungen als enorm: Mein Hintern quoll auf wie ein Ballon, sobald ich ins Wasser stieg und bekam elefantenähnliche Dimensionen. Mama hat es gefreut, denn endlich war sie nicht mehr diejenige mit den ausladendsten Hüften in der Familie.


Evolution 2.0

Ich weiß im Leben immer, wo es lang geht! Wäre ich ein Rudeltier, wäre ich definitiv der Anführer, der die anderen nach seiner Pfeife tanzen lässt. Ich versprühe die Aura von Dominanz und Selbstsicherheit - immer und überall. Daher sortierte ich bei unseren Wandertouren durch die Regenwälder Madagaskars auch erst einmal unser Gruppengefüge um. Warum sollte der erfahrene Guide, der schon Fernsehteams durch Madagaskar begleitet hatte, vorne weg laufen? Er konnte mir auch genauso gut als Schlusslicht assistieren und mir nötigenfalls relevante Anmerkungen nach vorne schreien. Gelegentlich würde ich ihn sogar erhören, damit er sich nicht überflüssig vorkam. Papa und Mama war es stinkpeinlich, dass ich darauf bestand, den Leitwolf zu mimen. Es verleitete Mama sogar zum Überdenken der Evolutionstheorie ("only the strongest shall survive") und sie stellte eine gänzlich neue Hypothese auf: Der Planloseste der Gruppe geht voraus. Weil hinter ihm immer einer geht, der es besser weiß, kann der Planlose nie verloren gehen und sichert somit sein Überleben. Mama untermauerte ihre Hypothese schließlich mit der Begründung, dass ich zu Hause immer Oma vorneweg laufen lasse. Dieses lebensnahe Beispiel überzeugte nun auch Papa von Mama´s neuer Evolutionstheorie.


Der Abstauber

Als wir auf dem größten Zeburindermarkt Madagaskars in Ambalavao unterwegs waren, schloss ich schnell Freundschaft mit einigen Jungs, die als Viehhirten die Rinder für die Auktion auf den Markt getrieben hatten. Kurz nachdem wir uns in Gangstermanier begrüßt hatten, fuhr ein Kleinbus mit einer Gruppe französischer Touristen vor und die Jungs zogen los, um die Lage zu checken. Man muss wissen, dass Madagaskar in vielen Gebieten sehr arm ist und die Kinder immer auf Bonbons, Schokolade oder einen Stift hoffen, wenn irgendwo ein Vazaha (= Bleichgesicht) auftaucht. Nur ist es gar nicht so gut, den Kindern Süßigkeiten zu schenken, denn das ruiniert die Zähne. Das wussten auch die französischen Touristen und hatten deshalb Hygieneartikel in Miniaturgröße aus dem Hotel mitgehen lassen. Wenig später waren die Jungs zurück. Und ich staunte nicht schlecht - sie drückten mir umgehend ihre gesamte Beute in die Hand: Seife, Zahnpasta - ja sogar eine Duschhaube?! Ich hatte das Waschen offensichtlich viel nötiger als sie!


Der Abstauber II

Das ist mein Freund Axel, den ich im Isalogebirge kennengelernt habe. Seine Mama ist alleinerziehend und arbeitete in dem Hotel, wo wir wohnten. Auch Axel und seine Mama wohnten auf dem Hotelgelände in einem der Bungalows. Er ließ mich mit seinen Spielsachen spielen, denn ich hatte ja keine dabei - die Windeln hatten den ganzen Platz in unserem Gepäck eingenommen! Dafür durfte Axel meine Pixiebücher anschauen. Auch Axel´s Mama war sehr lieb und ließ sich so leicht um den Finger wickeln. Als ich durchblicken ließ, dass ich sehr hungrig bin und Lust auf Pommes habe, war ihr mein Wunsch Befehl. Hier in Madagaskar geht man dann nicht einfach in die Küche, holt die Tiefkühlpommes aus dem Gefrierer und schmeißt sie in die Friteuse, weil es a) keine gibt und b) sehr oft auch kein Strom da ist. Axels Mama zog also erst einmal los zum Holzhacken fürs Feuer. Dann schnitzte sie liebevoll die Pommes aus rohen Kartoffeln. Nachdem das Feuer runtergebrannt war, stellte sie einen gusseisernen Topf mit Öl in die Glut und frittierte schließlich die Kartoffelstifte darin. Was für ein Aufwand - meinen Wunsch nach Ketschup verkniff ich mir höflicherweise! Ich mag manchmal ein ungehobelter Geselle sein, aber Gastfreundschaft bis zum Äußersten zu strapazieren, ging sogar mir gegen den Strich. Außerdem machte es nur halb so viel Spaß, ein unerzogenes Kind zu mimen, wenn Mama nicht in der Nähe war, die sich für mich schämte!


Rüdigers Heimkehr

Auf dem Obstmarkt kaufte ich noch etwas Proviant in Form von leckeren kleinen Bananen für meinen Freund Rüdiger. Ich hatte ihn extra den weiten Weg von Bergen mit nach Madagaskar gebracht, um ihm seine schöne Heimat zu zeigen! Rüdiger ist nämlich mein Plüschlemur, den mir Oma im Zoo in München gekauft hat und ihm gefällt es in Madagaskar viel besser als im Souvenirladen im Zoo. Doch nicht nur Rüdiger staunte nicht schlecht, als ich ihm seine Artgenossen live und in Farbe präsentierte - das Erstaunen beruhte auf Gegenseitigkeit!


Twin malagasy

Dann war es endlich soweit - Dimby´s Sohn Andrijanina hatte Ferien und konnte uns auf den letzten Etappen unserer Reise begleiten. Ich bekam von Dimby ein Tanalahorizon T-Shirt geschenkt, dass auch Dimby und Andrijanina tragen und auf das ich megastolz bin. Darauf steht nämlich "Tiako Madagasikara" (= Ich liebe Madagaskar) und das ist wahr! Die Einheimischen nannten uns die "Madagassischen Zwillinge". Auch wenn wir uns manchmal zankten, rangelten und jeder von uns beiden immer der Platzhirsch sein wollte - es war schön, all die Abenteuer, , die noch vor uns lagen,  mit meinem Bruder zu erleben...


Der Krokodiljäger

Ein kleines Motorboot brachte uns auf dem Canal des Pangalanes, der parallel zum Ozean verläuft, hinein in den Regenwald und zu Mamas Lieblingsort Ankanin´ny nofy (= Nest der Träume). Hier liegt ein Schutzgebiet für die größten Lemuren der Insel, die Indri. Die Bootsfahrt war lang und Andrijanina und mir langweilig und so geriet das Boot mächtig ins Schwanken, weil wir einfach unsere Hintern nicht ruhig halten konnten. "Vorsicht!" sagte Dimby, "wer über Bord geht, den schnappen sich die großen Krokodile!"

Jetzt war er schon so lange mit mir gereist und glaubte tatsächlich immer noch, dass seine Schauermär mich ins Bockshorn jagen würde? Er wusste ja nicht, dass es eines meiner größten Hobbys zu Hause in unserer Wohnung war, mir Fallenkonstruktionen auszudenken und zu bauen. Mir war schon häufig Großwild, wie z.B. Papa, ins Netz gegangen, da würde dieses Krokodil ein Leichtes sein! Ehe die Bootsbesatzung begriff wie ihr geschah, hatte ich mich meiner Hose nebst Unterbuxe entledigt und letztere über die Reling in die braunen, gurgelnden Untiefen geschleudert. Dimby, Papa und Mama starrten mich entgeistert an. Ich zuckte die Achseln und sagte: "Wenn Schnappi schnappt - Maul mit Unterhose gefesselt. Dann blubb, blubb. Krokodil nimmer da!" Ich erwartete mal wieder umsonst begeisterten Beifall für meine grandiose Idee - ich musste zugeben: Blubb, Blubb hatte in diesem Fall nur meine Unterhose gemacht!


Am Ziel der Träume

Mit der Ankunft im abgeschiedenen "Nest der Träume", sind wir auch am Ziel von Mama´s Traum angekommen. "Ach wie schön, endlich wieder hier zu sein!" seufzt sie beseelt. Sie liebt diesen Ort - ich bin erstmal nur froh, dem schwankenden Boot endlich entkommen zu sein. Flink klettere ich die vielen Stufen vom Bootsanleger hinauf auf den Landungssteg und sause Richtung Ufer. "Halt, stopp!" schreit Mama vergebens hinter mir her. Meine Eltern raffen eilig das Fotoequipment zusammen und nehmen die Verfolgung auf. Doch es ist zu spät - mein Plan bereits gefasst:

I wanna fly like an eagle... Ich nehme Anlauf, breite die Flügel aus und springe einfach vom 3 m hohen Landungssteg drauflos ins Ungewisse...

Meinen Eltern nebst Dimby stockt der Atem, keiner traut sich über die Reling zu schauen. Dann tauchen zögerlich doch weit über mir drei schreckgeweitete Augenpaare auf und ich sehe Erleichterung aufflammen. Ich bin im weichen Sand gelandet, mache den Daumen hoch und rufe: "Bin geflogen wie ein Adler. Jetzt tut mir die Kniescheibe weh!" Während ich diese reife Leistung als Paradebeispiel für "absolute Körperbeherrschung" sehe, nennt Mama es "pures Deppen-Glück", dass ich mir nichts gebrochen habe. Böse Zungen behaupten sogar, ich hätte 7 Leben wie eine Katze und die wären langsam aufgebraucht!


Auf du und du mit Makis

Auch ich verliebte mich in das "Nest der Träume", denn hier konnte ich mit den Lemuren auf Tuchfühlung gehen und vielen seltenen Tieren hautnah begegnen. Eines Abends sind wir auf eine kleine Landzunge inmitten des Pangalaneskanal geschippert, um ein besonderes Geschöpf der Nacht aufzuspüren: das seltene Aye-Aye oder Fingertier. 20 Jahre hatten meine Eltern Madagaskar bereist, doch nicht nur für mich war es das erste Mal, dem Tier in freier Wildbahn zu begegnen. Ein unvergesslicher Moment für uns alle drei!


Dornröschenschlaf

Beim Volksstamm der Merina und der Betsileo gibt es den Brauch der Famadihana (= Totenumbettungsfeier). Da wir am Ende unserer Reise die Gelegenheit hatten, an einer dieser Feiern teilzunehmen, versuchte mir Mama diese recht schräge Tradition zu erklären. Es war ein fürchterliches Gestammel, mit dem sie versuchte, mir pädagogisch und kindgerecht das Konzept der Totenumbettung näher zu bringen. Ich habe mir das dann lieber live angeschaut und sofort kapiert, wie das genau funktioniert: Nehmen wir als anschauliches Beispiel meinen Opa Adi. Er hat sich vor 2 Jahren in eine Kiste zum Schlafen gelegt. Weil er sehr schwerhörig ist, konnte ihn bis jetzt keiner wecken. Wenn in Madagaskar Famadihana ist, dann machen die Menschen laute Musik mit Pauken und Trompeten - nicht schön, aber eben sehr laut. Damit wollen sie ihre Opa Adis aufwecken, die es sich in einer Art Haus zusammen gemütlich gemacht haben. Im Prinzip ist es nichts anderes als die Dornröschengeschichte: Die Opas sind nach dem langen Schlaf so müde, dass sie aus ihrem Haus herausgetragen werden müssen. Damit sie nicht frieren, bekommen sie einen schönen neuen Schlafsack und etwas Rum, um sich aufzuwärmen. Dann erzählen die Familien ihren Opas, was sie während des langen Schlafs alles verpasst haben. Es herrscht große Wiedersehensfreude und es wird getanzt und gelacht. Dann geht es wieder in die Heia! So einfach ist das mit der Famadihana.


Abschiede sind doof

Die Zeit verging viel zu schnell - kaum hatten wir uns gesucht und gefunden, sollten wir auch schon wieder Abschied nehmen. Ich hasse das! "Hallo" bedeutet Abenteuer, die Chance auf etwas Neues - "Tschüss!" hingegen ist das offene Ende eines Romans, von dem man noch nicht weiß, ob eine Fortstetzung geschrieben wird oder nicht. So sehr ich den Nervenkitzel des Ungewissen liebe, so sehr hasse ich gleichzeitig, wenn meine Pläne durchkreuzt werden. Ich hätte ewig weiterreisen können und ich bin noch lange nicht fertig mit Madagaskar! Nehmt das als Versprechen (Mama behauptet, manch ein Einheimischer wird das eher als Drohung betrachten): Heute ist nicht aller Tage, ich komm wieder, keine Frage!


Wiedersehensfreude

Mehr sog i ned!


Als Michel Lina einen Zahn ziehen wollte...

Auch nach unserer Heimkehr blieb das Jahr turbulent. In Madagaskar war aus meinem Milchgebiss ein cooles Haigebiss geworden und ich war nun stolzer Besitzer von 2 Reihen unterer Schneidezähne hintereinander! Mama vereinbarte einen Termin bei der Zahnärztin meines Vertrauens.

 

Das war einer dieser Tage, wo Freud und Leid eng beieinander lagen: Meine Oma hatte Geburtstag und wollte mit Opa zu mir nach Bergen kommen, damit wir gemeinsam feiern konnten - doch vorher musste ich noch 2 Zähne loswerden. Mein Magen rumpelte bedenklich, als ich in den Kindergartenbus stieg - ich hatte noch 9 Stunden bis zur Ausrottung meines Milchgebisses. Mama sah in diesem Moment auch auf die Uhr - sie hatte noch 9 Stunden, um das von mir verwüstete Haus aufzuräumen und Oma´s Geburtstagsfeier zu planen. Um 14.00 Uhr hatte Mama alles geschafft - es fehlte jetzt nur noch ein Blümelein für Oma. Also fuhr sie in den Blumenladen nach Siegsdorf und suchte die Pflanzen für Oma´s Geburtstagsarrangement aus. Sehr mit sich und der Welt zufrieden stand Mama an der Kassentheke und guckte der Floristin beim Dekorieren zu - als es plötzlich in ihrer Tasche vibrierte. Das mussten Oma und Opa sein, die bestimmt schon langsam im Landeanflug auf Bergen waren... Mama´s Blick fiel auf die Nummer und das Blut gefror in ihren Adern: Oh Gott, der Kindergarten. Was war passiert?!

 

Je näher das Ende meiner Milchzähne rückte, desto weniger konnte ich mir vorstellen, sie herzugeben. Da fiel mir die Magd Lina wieder ein, der Michel aus Lönneberga auf alle erdenkliche Weisen den Zahn ziehen wollte und jedes Mal böse an Lina scheiterte. Genau wie Lina musste ich mir schleunigst etwas einfallen lassen, um mich zu retten. Aufgeschoben war ja nicht aufgehoben. Und weil ich im Kindergarten gerade nur bunte Plastikperlen zur Hand hatte, schob ich mir kurzerhand eine besonders schöne Gelbe ganz weit nach oben in meine Mini-Nase. Sie blieb dort so fest stecken, dass meiner Mama nichts anderes übrig blieb: Wir mussten zum Kinderarzt!

Mama raffte schleunigst das Blumengebinde für Oma zusammen, die just in diesem Moment voller Vorfreude anrief, um ihre Ankunft in Bergen zu verkünden. Da Oma mich ja nun schon ein Weilchen kannte, wunderte sie sich nicht wirklich über die jüngsten Ereignisse und die Tatsache, dass sie sich nun derweil mit Opa selbst ihren Geburtstagskaffee kochen musste.

 

Mama war an diesem Tag gefragter denn je, denn schon wieder bimmelte ihr Handy! Es war mein besorgter Papa, der gerade einen Löwen am Wasserloch im fernen Namibia fotografiert hatte, als ihn die frohe Kunde meiner Bügelperlenaktion ereilte: Meine Eltern hatten in ihrer üblichen geistigen Umnachtung im Kindergartennotfallbogen Papas Handynummer an erster Stelle angegeben und so hatten die Buschtrommeln Papa im fernen Afrika als Allerersten informiert. Er litt mit mir, wie es nur ein Papa kann. Doch seine Besorgnis machte mir auch schlagartig klar, dass diese Bügelperle wirklich verdammt fest saß. "Muss ich ins Krankenhaus?" fragte ich kleinlaut und verfolgte misstrauisch jeden Handgriff von Dr. Nowack, der sich gerade aus einem langen, dünnen Drahtstück eine fiese Angel mit Haken baute. "Ich will lieber doch den Zahn..." sagte ich und sprang schnell vom Untersuchungstisch. "Den machen wir gleich im Anschluss!" sagte Mama gnadenlos. Ich sagte nichts mehr. Bevor ich Dr. Nowack erlaubte, mir sein Konstrukt ins Nasenloch zu schieben, musste ich erst den Wegzoll aushandeln: "Ganz viele Gummibärle, Doktor!" sagte ich mit treuherzigem Augenaufschlag - ein theatralischer Rinnsal lief über meine Wange - offensichtlich drückte die Bügelperle auf den Tränenkanal und setzte so die Dramatik der Situation perfekt in Szene! Mit ruhiger Hand zauberte Dr. Nowack in Rekordzeit die Perle hervor und fragte Mama süffisant, ob sie sie gerne als Andenken behalten wollte. Dann griff der nette Doktor ganz tief in sein Gummibärchenglas. Ich war sehr zufrieden mit meiner Beute - was würde es wohl erst für 2 Perlen in beiden Nasenlöchern geben?

 

Und die Moral von der Geschicht? Beherrsche die Uhr, wenn du der Zeit ein Schnippchen schlagen möchtest! Ich hatte mich böse verschätzt - wir kamen leider rechtzeitig zu meinem Zahnarzttermin! Und so wurde an Oma´s Geburtstag aus meinem supercoolen Haigebiss ein 0815-Sechsjährigen-Gebiss. Das würde die Zahnfee teuer zu stehen kommen...


Der Retro-Held

Den goldenen Spätherbst genossen wir in vollen Zügen und wanderten, was das Zeug hielt. Mit meiner Freundin Alva und ihrer Mama Steffi begaben wir uns auf den verwunschenen Schmugglerpfad, der durch einen nebligen Zauberwald führte. Mama freute sich wie eine Schneekönigin, weil sie den Feuersalamander im Moos entdeckt hatte und lichtete ihr Fundstück danach in allen erdenklichen Positionen mit ihrem Handy ab, um ein bisschen vor Papa anzugeben, der jeden Tag aus dem fernen Afrika ein tolles Tierfoto schickte. Ein Lurch auf der Flucht und eine auf allen Vieren durch den Unterwuchs krauchende Mama zogen sehr schnell das Interesse anderer Wanderer auf sich - da musste es wohl was ganz Tolles zu fotografieren geben! Der arme Salamander hatte alsbald 3 ambitionierte Fotografen auf dem Leib, die bei seinem Anblick in Ekstase gerieten und in Rätseln sprachen: "Ach, wisst ihr noch - die guten alten Salamander-Schuhe von früher? Wir haben im Schuhladen immer die Lurchigeschichten gelesen. Und danach auf einen Braunen Bär oder ein Dolomiti zum Eisverkäufer - das waren noch Zeiten, damals war einfach alles besser!" Alva und ich sahen uns verständnislos an - das war wohl der Preis, den man zahlen musste, wenn man sich mit Fossilien auf die Wanderschaft begab!


Auf der Alm gibt´s koa Sünd´

Eines schönen Sonntags trafen wir auf der Alm zufällig unsere Nachbarn. Paul, Otto und ich machten uns schleunigst  aus dem Staub - schließlich wollte keiner von uns den langweiligen Erwachsenengesprächen lauschen. Wir suchten uns einen schönen Kletterfelsen für eine kleine Jungsmutprobe. Mir, der in Madagaskar vom Bootssteg in die Tiefe gesprungen war, konnte keiner was vormachen - ich würde der Erste sein, der seinen Mut unter Beweis stellte...

 

Leider hatten wir bei der Wahl des Felsen übersehen, dass ihn eine Kuh mit offensichtlichen Verdauungsproblemen als Plumpsklo missbraucht hatte und so landete ich mit einem großen Platsch direkt in ihrer sämigen Hinterlassenschaft, deren Konsistenz sich schnell als Schmierseife entpuppte. Ich rutschte aus und lag rittlings in der Suhle. Paul und Otto lachten sich schlapp und schrien ganz laut :"Igitt, wie eklig!" Um den Rest meiner angekratzten Würde zu wahren und doch noch als Sieger aus diesem Showact hervorzugehen - schleckte ich mit einem genießerischen Lächeln meinen Zeigefinger ab und sagte: "Ich liebe Kuhkacke. Kuhkacke schmeckt sooo gut!" Den etwas schalen Nachgeschmack spülte ich mit einer Vogelbeere hinunter, die ich mir vom Strauch angelte. Was war ich cool, giftige Beeren und Kuhkacke zu essen - die Jungs waren schwer beeindruckt! So beeindruckt, dass sie es gleich ihren Eltern erzählen wollten...

 

Und so kam es, dass bald mein Papa auf eine Stippvisite vorbeischaute und bei meinem Anblick erstarrte. "Wie kann man dem Kind auch beige Trekkinghosen anziehen!" fragte er kopfschüttelnd meine Mama. Beide waren ratlos, wie sie ihr von oben bis unten verkacktes, stinkendes Kind wieder ins Tal bringen sollten. Papa befragte hektisch Dr. Google nach der Giftigkeit von Vogelbeeren und entspannte sich dann sichtlich. Ich würde wohl überleben.

 

"Wir haben für die Jungs immer Wechselsachen dabei," sagte der Papa von Paul und Otto, " allerdings haben wir die Klamotten bis jetzt immer umsonst mitgeschleppt!" Papa und Mama schauten beschämt auf ihre Füße, sie hatten natürlich kein Wechselgewand für mich im Rucksack! Und so wurde der nicht schmutzende Paul an diesem Tag zu meinem rettenden Engel in der Not. Und auch ich bekam noch meinen großen Auftritt:  Als Bedürftiger schenkte ich dem Papa von Paul einen wahren Samaritermoment - schließlich durfte er endlich seine Klamotten teilen!


Alle Jahre wieder: Kranke Männer

Das neue Kindergartenjahr ließ sich nicht wirklich gut für mich an. Kaum hatte sich mein Papa mit dem üblichen Männerschnupfen auf die Bretter gelegt, grassierte in meiner Gruppe ein echt fieser Magen-Darm-Virus, der nahezu alle Kinder schachmatt setzte. Nachdem ich mir 3 Tage lang die Seele aus dem Leib gekotzt hatte, schien es aufwärts zu gehen. Doch nun wurde ich von Darmkoliken geplagt, wie ich sie noch nie erlebt hatte - nicht einmal bei dem Norovirus, der mich vor 3 Jahren ins Krankenhaus brachte. Ich wurde langsam übellaunig, denn ich wollte zurück zu meinen Freunden in den Kindergarten! Alle waren längst wieder gesund, nur ich nicht!

 

Wir holten sogar echtes Heilwasser von der Primusquelle in Adelholzen, das meinen Darm gesund machen sollte. Nach 2 Wochen wurden die Krämpfe aber noch schlimmer und Mama schleppte mich nochmal zum Kinderarzt. "Das dauert mir jetzt auch zu lang!" sagte der Doktor nachdenklich und bestand darauf, meinen Windelinhalt ins Labor zu schicken. "Er wird sich doch keinen Parasiten in Madagaskar geholt haben?" jammerte Mama aufgescheucht.

 

 Meine Eltern staunten nicht schlecht, als einige Tage später ein Brief vom Gesundheitsamt ins Haus flatterte. Ich hatte mir eine Krankheit mit dem zungenbrecherischen Namen Kryptosporidiose eingefangen, die eine Inkubationszeit von 14 Tagen hat. Doch Madagaskar war zwei Monate her?!

 

Ungläubig las Papa die Zeilen vor, die uns Dr. Google offenbarte: "Kryptosporidiose ist hauptsächlich weit verbreitet in Dritte-Welt-Ländern, kommt aber auch in Deutschland vor und bleibt meist unentdeckt. Hauptüberträger ist Rinderkot."

 

"Da haben wir ihn heil durch die Tropen gebracht und dann wird ihm eine durchfallgeplagte Kuh auf unserem heimischen Hausberg zum Verhängnis" sagte Mama kopfschüttelnd. "Ich liebe Kuhkacke!" antwortete ich trotzig.


Der Heiratsprofi


Meine Kuhkacke-Diät hatte einen entscheidenden Vorteil mit sich gebracht: Meine Figur war ganz ohne Fitness-Studio und schweißtreibendes Training einfach nur in einem begnadeten Zustand, zum Niederknien! Gerade rechtzeitig für meinen wichtigen Spezialeinsatz als Ringträger bei der Hochzeit meiner Kindergartenbetreuerin! Die Lederhose passte wie angegossen und sah schneidig aus. Doch Papa hätte mir diesen Job fast noch versaut, weil er die Braut doch tatsächlich fragte, ob sie sich am Altar wohl noch ein Hintertürchen zur Flucht offen halten wolle, weil sie ausgerechnet mich zum Ringträger auserkoren hatte!

Mein Auftritt verlief ohne Zwischenfälle - man hatte Profi gebucht, dann bekam man auch Profi! Die Braut, die meine Vorliebe für das Herumschleudern von Sachen nur zu gut aus dem Kindergartenalltag kannte, war aber auch auf Nummer sicher gegangen! Sie hatte ein "Ringkissen" für mich designt, das seinesgleichen suchte: Viiiel zu schön und viiiiel zu schwer zum Schleudern!


Lustig, lustig, trallalallala

Dieses Jahr legte ich die Scheu vor dem Krampus dank meiner Konfrontationstherapie auf der Krampusausstellung in Hallein entgültig ab. Der Nikolaus nebst Krampus konnte kommen, zumal ich mir in diesem Jahr keiner Sünden bewusst war.

Na gut, ich hatte einige Meinungsverschiedenheiten im Kindergarten mit Fäusten geklärt und Mama war nicht allzu begeistert, dass ich im Restaurant so gerne meine Rülpsimitationen zum Besten gab - aber das waren Marginalien im Vergleich zu meinen positiven Leistungen in diesem Jahr. Ich konnte Omas Nummer selbstständig wählen, bis 10 zählen und hatte schwimmen gelernt: Das goldene Buch des Nikolaus würde überquellen vor Lobhudelei! Hurra...

 

Der Nikolaus war letztlich doch ein ganz schöner Erbsenzähler, der mir wieder mal jedes noch so kleine

Vergehen auf das Brot schmierte!

Ich solle nicht immer Klopapier abwickeln und Socken rumschleudern! Und ausgerechnet ICH würde böse Schimpfwörter sagen? - Er musste mich verwechselt haben!

 

Zuguterletzt kam er aber doch noch auf meine sportlichen Errungenschaften zu sprechen,  zum Beispiel, dass ich heuer schwimmen gelernt habe wie ein Delfin. "Ja und wie ein dicker Wal!" entgegnete ich stolz.

Der Nikolaus war sprachlos angesichts meiner genialen Beobachtungsgabe und hatte dem Nichts mehr hinzuzufügen. Hab ich schon erwähnt, das ich gerne das letzte Wort habe?


Häppi börsdäi, Flo

Und wieder ist ein Jahr vollbracht, und wieder ist nur Mist gemacht?

Nein, ich blickte definitiv auf ein fruchtbares, ereignisreiches Jahr zurück. Ich hatte viele Fortschritte gemacht, bin reifer und weiser geworden. Im Kindergarten hieß es sogar, man könne mir nun das Vertrauen schenken, dass ich von Botengängen auch wiederkehre und Aufträge pflichtbewusst ausführe.

Ich war jetzt ein großes Kind - das stand außer Frage. Dementsprechend plante ich auch eine "Großes Kind-Party" ganz ohne Eltern mit all meinen Freunden aus Bergen. Ich lernte alle wichtigen Buchstaben, damit ich die Namen meiner Freunde selber auf die Einladungen schreiben konnte und bastelte für jeden eine eigene Einladung.

 

Schöner als alle Geschenke, war für mich, dass alle, die ich eingeladen hatte, kamen und mitfeierten! Ich rede noch heute von diesem rauschenden Fest!

 

Schade nur, dass mein Papa schon wieder weit weg in Äthiopien war und ich die Kerzen dieses Jahr ohne ihn und seine legendäre Geburtstagsbreze auspusten musste.

 


Mein Weihnachtstraum 2018

Lasst uns frohlocken, es ist vollbracht -

der Weihnachtsbaum nicht umgekracht!

Meine Eltern konnten´s kaum fassen:

Dies Jahr hab ich die Tanne stehen lassen!

 

Keine Kugel wurde zerdeppert,

auch Schellen haben nicht gescheppert.

Friede und Freude herrscht in unserm Haus,

diese Harmonie hängt mir zum Hals heraus.

 

Fürs nächste Jahr plan ich was Großes,

was nie Dagewesenes, Famoses,

eine Überraschung der besonderen Art,

im Stillen der Enthüllung harrt.

 

Wenn sich alle in Sicherheit wiegen,

komm ich aus dem Kamin gestiegen,

bring Schabernack statt den Geschenken,

daran werden sie noch lange denken!

 

Halleluja, es ist geschafft, der Christbaum steht in vollem Saft.

Ich habe den Moment genossen, und den Baume selbst gegossen.

 

Nehmt mich lieber nicht beim Wort, sonst ist die ganze Spannung fort.

Vielleicht ist´s nur ein Träumelein - und ich bin nächt´s Jahr stubenrein!

 


In diesem Sinne mit Vollgas ins neue Jahr 2019 - wir sehen uns auf der anderen Seite ;-)